SOER 2020 – EU- Umweltstatusbericht Kapitel 6/11: Luftqualität

An der Messstation Ludwigshafen-Heinigstraße, die als Verkehrsstation eingestuft ist, ist der gültige Stickstoffdioxid-Jahresimmissionsgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten. Für 2016 wurde eine Überschreitung von 6 Mikrogramm pro Kubikmeter festgestellt. Im 2017 sank die gemessene Stickstoffdioxid-Konzentration auf 44 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die aktuellen Luftreinhaltepläne Ludwigshafens sollen die die sichere Einhaltung des Jahresimmissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid bis spätestens 2020 gewährleisten.
Quelle: https://www.ludwigshafen.de/nachhaltig/umwelt/masterplan-green-city/lorientallee-als-alternativ-route/

SOER 2020 Kapitel Luft
Luftverschmutzung ist die europaweit größte umweltbasierte Einzelgefahr für die Gesundheit. Luftverschmutzung stammt zum größten Teil aus den Wirtschaftsbereichen Verkehr, Landwirtschaft, Industrie, Energieerzeugung und -nutzung sowie Müllentsorgung. Die größten Sorgen bereiten Feinstäube (PM 10 und PM 2,5), Stickstoffdioxid (NO2) und bodennahes Ozon (O3). Auf EU-Ebene werden vor allem drei Strategien zur Verbesserung der Luftqualität verfolgt:

Mehr Infos:


1. Emissionskontrollen der Mitgliedsstaaten durch die Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen
2. Setzen von Emissions- und Energieeffizienzstandards für bestimmte Bereiche und Sektoren durch z.B. die Industrieemissionsrichtlinie
3. Limitierung von Verschmutzungskonzentrationen und die Pflicht Luftreinhaltungspläne und Messungen zu erstellen, wenn die Grenzwerte überschritten werden.
Schlüsseltrends
Grundsätzlich lässt sich zwischen 2000 und 2017 ein Rückgang der Luftverschmutzung in Europa feststellen. Insbesondere die Belastung mit Schwefeldioxid (SO2) ist durchschnittlich um 62 % zurückgegangen. Allerdings hat sich die Freisetzung von Ammoniak (NH3) nur um 4 % verringert und ist seit 2013 im Landwirtschaftssektor sogar um 3 % angestiegen. Die Reduktion von Schwefeldioxid in der Luft erfolgte vor allem in den Bereichen der Energieerzeugung und -verteilung sowie beim Energieverbrauch. Die Verringerung von Stickoxiden (NOx) ist vor allem Folge der breiten Einführung von Katalysatoren.
Vier der wichtigsten in der europäischen Richtlinie zu nationalen Emissionshöchstgrenzen enthaltenen Stoffe lagen europaweit betrachtet unterhalb der Grenzwerte. Das waren vor allem Stickoxide, Flüchtige Organische Verbindungen außer Methan (NMVOCs), Schwefeldioxid und Ammoniak. Nichtsdestotrotz haben 2017 sechs Mitgliedsstaaten die Emissionshöchstmengen für einen oder mehrere Stoffe überschritten. Ammoniak war ein Problem in Österreich, Kroatien, Deutschland, Irland, Spanien und den Niederlanden. Letztere konnten auch bei den Flüchtigen Organischen Verbindungen die Grenzwerte nicht einhalten.
Seit 2020 gelten neue Vereinbarungen zur Reduktion von Emissionen, die 2030 weiter verschärft werden. In zweijährigen Abständen müssen die Mitgliedsstaaten ihre Emissionsprognosen für 2020, 2025 und 2030 für Schwefeldioxid, Stickoxide, Ammoniak, Flüchtige Organische Verbindungen, Feinstaub und, falls maßgeblich, Ruß, melden. Aus diesen Prognosen werden die Erfolgsaussichten bei der Erreichung der Luftreinhaltungsziele ermittelt. Die 2019 von den Mitgliedsstaaten erstellten Prognosen für das Jahr 2030 zeigen, dass stärkere Bemühungen notwendig sind, um in allen Bereichen das Reduktionsziel für 2030 zu erreichen. Dabei ist eine Reduktion der Stickoxide um 40 %, Flüchtiger Organischer Verbindungen und Ammoniak um je 15 %, Schwefeldioxid und Feinstaub (PM2,5) je um mehr als 30 % im Vergleich zu 2017 notwendig. Die Erreichung der Reduktionsziele für Ammoniak scheitern vor allem an dem Unwillen, die Emittenten, insbesondere die Landwirtschaft, zur Einhaltung der Grenzwerte zu verpflichten; technisch sind die Reduktionsziele durch Reduktion der Viehbestände und effizientere Spritz- und Düngevorrichtungen machbar.
Weitere Luftschadstoffe
Weitere Stoffe wie Kohlenmonoxid (CO), Benzol (C6H6) oder Schwermetalle wurden bisher nicht in die Bewertung der Luftqualität aufgenommen, daher gibt es weder Grenzwerte noch Ziele. Trendanalysen zu PM10-Feinstäuben zeigen einen Rückgang bei 75 % der 839 Messstationen. Bei 1 % der Stationen wurde jedoch ein starker Anstieg gemessen. Bei Ozon kam es zu einem Konzentrationsanstieg vor allem an den Stationen an stark befahrenen Straßen. Für Stickoxidwerte wurde der erwartete Rückgang verfehlt. Grund war der europaweite Dieselskandal, bei dem durch Betrugssoftware in zahlreichen Dieselfahrzeugen der tatsächliche Schadstoffausstoß höher lag als die auf dem Prüfstand gemessenen Werte.
Einflüsse auf die menschliche Gesundheit
Die Grenzwerte der EU liegen über den Grenzwerten der Weltgesundheitsorganisation. Nimmt man die WHO-Grenzwerte als Grundlage, verfügen nur drei Mitgliedsstaaten über eine gute Luftqualität. Grund dafür sind die hohen Feinstaubemissionen, hauptsächlich verursacht durch Heizen in Privathaushalten, Landwirtschaft, Straßentransport und Industrie. Dabei sind Luftverschmutzung im Allgemeinen und Feinstäube im Besonderen als krebserregend klassifiziert. Die letzten Erhebungen und epidemiologische Studien zeigen, dass Feinstaub (PM2,5) pro Jahr für 400.000 vorzeitige Todesfälle in Europa verantwortlich ist. Für Schwefeldioxid wird mit 70.000 vorzeitigen Todesfällen und für Ozon mit 15.000 Toten jährlich gerechnet. Dabei wird die kumulative Wirkung bisher nicht berücksichtigt. Die schlechtesten Werte und damit die statistisch höchste Betroffenenzahl gibt es in den zentral- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten. Städtische Bevölkerung ist zusätzlich zu 95 % von einer Überschreitung der Ozongrenzwerte betroffen. Erfreulich ist, dass gemäß einer Langzeitstudie die Mortalitätsrate aufgrund verbesserter Luftqualität seit 1990 um 60 % zurückgegangen ist. Würden die Obergrenzen der WHO eingehalten, hätten allein im Jahr 2012 144.000 Tote vermieden werden können.
Einflüsse auf das Ökosystem
Der Anstieg wasserlöslicher Stickstoffverbindungen in der Luft (in Form von Stickoxiden und Ammoniak) schädigt terrestrische und aquatische Ökosysteme durch zusätzlichen Nährstoffeintrag. Wenn das passiert, ist irgendwann der sogenannte kritische Zustand für Eutrophierung erreicht. Ammoniak, Stickoxide und Schwefeldioxid führen zu einer Vergiftung von Böden, Seen und Flüssen und verursachen den Verlust von Biodiversität. Europaweit kam es in allen Mitgliedsstaaten zu kritischen Zuständen der Eutrophierung. 2005 waren 67 % der europäischen Ökosysteme und sogar 78 % der Natura 2000 Gebiete betroffen. Das bedeutet, dass trotz Rückgang die Konzentration der Luftschadstoffe immer noch die Intaktheit der Ökosysteme beeinträchtigt. Die höchsten Werte gab es 2016 in Norditalien (Po-Flussauen), an der niederländisch-deutsch-dänischen Grenze und in Nordost-Spanien. Selbst bei vollständiger Einhaltung der bisher getroffenen Regelungen wären bis 2030 nur 49 % der Ökosysteme (58 % der Natura 2000 Gebiete) in einem gutem Erhaltungszustand. Dies verdeutlicht den dringenden Handlungsbedarf. Inzwischen sind glücklicherweise ökonomisches Wachstum und Luftverschmutzung weitgehend entkoppelt; dies ermöglicht die Erarbeitung von lokalen und regionalen Luftreinhalteplänen sowie feste Obergrenzen für einzelne Sektoren, ohne dass wirtschaftliche Aktivität dem entgegensteht.
Weitere Stellschrauben
Die Gründe für die Überschreitung der bestehenden Grenzwerte durch einzelne Mitgliedsstaaten liegen unter anderem auch darin, dass nicht alle Sektoren, wie beispielsweise die Seeschifffahrt, Emissionen reduziert haben. Neben den technischen Möglichkeiten der Luftreinhaltung in Verkehr und Landwirtschaft stehen auch wirksame fiskalische Lösungen zur Verfügung. Insbesondere die Treibstoffbesteuerung würde den Wandel zu umweltfreundlicherem Passagier- und Warentransport unterstützen. Der ökologische Nutzen der E-Mobilität hängt vor allem von Fahrzeugdesign, Fahrzeugwahl, Nutzungsmuster, Langlebigkeit, Recyclingfähigkeit und Energiemix ab. Daher ist es wichtig, Elektromobilität aus einer Systemperspektive zu betrachten. Dies beinhaltet eine tiefgehende Analyse der ökologischen Einflüsse des Produktlebenszyklus und eine Einbeziehung in die Bewertung.
Die Auswertung der europäischen Daten zur Landwirtschaft zeigt weiterhin, dass 78 % aller Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung stammen. Dabei stammen 80 % der Emissionen aus 4 % der landwirtschaftlichen Betriebe mit einer Größe von über 50 Großvieheinheiten. Dabei werden von der Richtline zur Regulierung der Industrieemissionen bisher nur Schweine und Geflügelbetriebe erfasst. Die Rinderhaltung wird nicht reguliert. Des Weiteren könnten durch die Verminderung von Lebensmittelabfällen und durch mehr Effizienz bei der Lebensmittelproduktion Luftschadstoffe aus der Landwirtschaft reduziert werden.
Aber nur, wenn wir alle Sektoren angehen, kann die Luftqualität in Europa dauerhaft verbessert werden. Dafür ist es notwendig, dass sowohl die Kriterien Klimaschutz und Biodiversitätserhalt als auch Gesundheit in alle Politikfelder integriert werden.

Eine Übersicht über alle SOER-Bericht 2020 Beiträge die bereits auf der Website sind findet ihr hier.