Die Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfs in der FFH-Richtlinie 

Jutta Paulus, umweltpolitische Sprecherin der Grünen Europafraktion, äußert sich zum Frontalangriff auf die FFH-Richtlinie: 

“Was hier geschieht, ist ein Frontalangriff auf das Herz des europäischen Naturschutzes. Wenn die FFH-Richtlinie aufgeweicht wird, ist das ein Trojanisches Pferd. Denn es fällt nicht nur der Schutz des Wolfes, sondern auch Otter, Biber, Kegelrobbe, Luchs und Bär drohen unter Beschuss zu geraten. Doch wichtiger sind die großen Linien: Es geht um die Zukunft unserer Wälder, Flüsse und Moore. Lebensräume, die uns allen gehören, die für Klimaschutz und –anpassung unverzichtbar sind, könnten uns genommen werden.“ 

Was ist die FFH-Richtlinie und warum ist sie für den Wolf relevant? 

Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) von 1992 ist ein zentrales Instrument des europäischen Natur- und Artenschutzes. Gemeinsam mit den Vogelschutzrichtlinien bildet sie das Netzwerk Natura 2000. Dieses schützt bedrohte Lebensräume und Arten, darunter auch den Wolf. 

Aktuell ist der Wolf in Anhang IV der FFH-Richtlinie als „streng geschützt“ eingestuft. Das bedeutet: 

  • Der absichtliche Abschuss oder die Störung des Wolfs ist verboten. 
  • Die Mitgliedstaaten müssen Schutzmaßnahmen ergreifen. 
  • Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn ein „günstiger Erhaltungszustand“ festgestellt wird: ein wissenschaftlicher Nachweis, der selten gelingt. 

Trotzdem ermöglichten einige EU-Staaten wie Deutschland über nationale Regelungen (z. B. „Schnellabschüsse“) den gezielten Abschuss sogenannter Problemwölfe. Darauf beruhende Abschussgenehmigungen wurden jedoch immer wieder von Gerichten gestoppt. Meist bezogen sich die Urteile auf das Vorhandensein weniger drastischer Maßnahmen. 

In der öffentlichen Debatte, besonders unter Landwirt*innen, nimmt die Wahrnehmung von Wolfsrissen zu. Tatsächlich gehen die gemeldeten Risszahlen aber zurück. Auch eine massive Zunahme der Wolfspopulation ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen. 

Trotz fehlender Daten stieg der politische Druck, auch ausgelöst durch einen viel beachteten Vorfall: Kommissionspräsidentin von der Leyen verlor ihr Pony „Dolly“ durch einen Wolfsangriff. Beobachter*innen vermuten, dass dies die Debatte zusätzlich emotionalisierte. 

 

Was ist bisher passiert? 

Die FFH-Richtlinie kann nicht isoliert geändert werden. Sie ist rechtlich an die Berner Konvention gebunden, ein internationales Abkommen zum Schutz europäischer Wildtiere. Bevor die EU den Schutzstatus des Wolfs ändern durfte, musste also die Berner Konvention angepasst werden. 

  • September 2024: Die EU-Umweltminister*innen verabschieden einen Vorschlag zur Herabstufung des Schutzstatus. 
  • Dezember 2024: Der Ständige Ausschuss der Berner Konvention stimmt zu. 
  • 7. März 2025: Die Änderung tritt in Kraft. Am selben Tag legt die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Änderung des FFH-Schutzstatus des Wolfs vor: von „streng geschützt“ (Anhang IV) zu „geschützt“ (Anhang V). 
  • Der „günstige Erhaltungszustand“ bleibt Voraussetzung für Eingriffe. Die Bewertung erfolgt jedoch lückenhaft: Letzter Bericht aus Deutschland stammt von 2019. 
  1. April 2025: Der Rat der Mitgliedstaaten bestätigt den Vorschlag der Kommission.
    06./08 Mai 2025: Das EU-Parlament entscheidet im Eilverfahren über den Vorschlag.

 

Warum ist durch die Herabstufung des Wolfs die gesamte FFH-Richtlinie in Gefahr? 

Die geplante Änderung offenbart ein grundlegendes Problem: Die FFH-Richtlinie stammt aus dem Jahr 1992, als die EU noch aus nur 12 Mitgliedstaaten bestand und lange bevor das EU-Parlament durch den Vertrag von Lissabon 2009 zum Mitgesetzgeber wurde. 

Die Konsequenz: Artikel 19 der Richtlinie sieht Änderungen des Schutzstatus ohne Beteiligung des Parlaments durch einstimmigen Beschluss der Mitgliedstaaten vor. 

Dies widerspricht aber dem Lissabon-Vertrag. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass in solchen Fällen der Lissabon-Vertrag Vorrang hat und das Parlament beteiligt werden muss. 

Daher hat die Kommission nun ein Gesetzgebungsverfahren angestoßen. Dabei können theoretisch auch andere Arten (z. B. Biber, Otter, Luchs) abgestuft werden. Diese sind aber oft ebenfalls durch die Berner Konvention geschützt. Eine solche Herabstufung wäre rechtswidrig und könnte den gesamten Änderungsvorschlag rechtlich unwirksam machen. Viel gefährlicher wäre die Änderung von Artikeln der FFH-Richtlinie, beispielsweise Artikel 6, laut dem Management-Pläne für FFH-Gebiete erstellt werden müssen. Ohne diese Managementpläne würde sich der Zustand der Habitate mit hoher Wahrscheinlichkeit verschlechtern. 

Was fordern die Grünen/EFA im Europäischen Parlament? 

Wir Grünen lehnen die Herabstufung des Wolfs kategorisch ab. Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage dafür. Die EU-Ombudsfrau kritisierte die Kommission bereits und leitete ein Verfahren ein. Denn die Kommission hat eine fragwürdige Methode zur Ermittlung der Wolfszahlen verwendet: sie rief einfach dazu auf, sich per Mail zu melden. Mit Wissenschaft hat das nichts zu tun.  

Darum fordern wir: 

  • Keine Zustimmung zu Änderungsanträgen, die weitere Arten herabstufen würden. 
  • Einhaltung von Recht und Wissenschaft. Es darf kein politisches Einknicken vor populistischem Druck geben. 
  • Ein klares Signal, dass die FFH-Richtlinie als Ganzes nicht verwässert werden darf. 
  • Die Umsetzung der Ziele des Kunming-Montreal-Abkommens 

Wie geht es jetzt weiter? 

  • Mittwoch, 07.05.2025 (12:00/13:00): Frist für Änderungsanträge 
  • Donnerstag, 08.05.2025 (12:00): Abstimmung im EU-Parlament 
  • Danach (falls Änderungen beschlossen werden): Verhandlungen mit dem Rat der Mitgliedstaaten (Trilog) 

Weiterführende Informationen: