EU-Klimapaket – und jetzt?

Ich werde mich dafür einsetzen, dass aus „Fit for 55“ ein „Fit for 1,5“ (Grad) wird

Das im Juli 2021 von der Europäischen Kommission vorgestellte Klimapaket ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Es umfasst mehr als ein Dutzend Gesetzesvorschläge und Regulierungen, die auf dem Weg zur Klimaneutralität angepasst oder neu geschaffen werden:

  • Überarbeitung der Verordnung zur Einbeziehung von Treibhausgasemissionen und -abbau durch Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (engl.: Revision of the Regulation on the inclusion of greenhouse gas emissions and removals from land use, land use change and forestry „LULUCF“)
  • Änderung der Verordnung zur Lastenteilung (Effort Sharing Regulation „ESR“)
  • Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie zur Umsetzung des neuen Klimaziels 2030 (Amendment to the Renewable Energy Directive to implement the ambition of the new 2030 climate target „RED“)
  • Änderung der Richtlinie zur Energieeffizienz (Neufassung) (Proposal for a Directive on energy efficiency (recast) „EED“)
  • Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (Revision of the EU Emission Trading System „ETS“)
  • Neu: ReFuelEU Aviation – nachhaltige Flugtreibstoffe (ReFuelEU Aviation – sustainable aviation fuels)
  • Neu: FuelEU Maritime – grüner europäischer maritimer Raum (FuelEU Maritime – green European maritime space)
  • Überarbeitung der Richtlinie (neu: Verordnung) zum Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (Revision of the Directive on deployment of the alternative fuels infrastructure „AFIR“)
  • Änderung der Verordnung zur Festlegung von CO2-Emissionsnormen für Pkw und Transporter (Amendment of the Regulation setting CO2 emission standards for cars and vans)
  • Kohlenstoff-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon border adjustment mechanism „CBAM“)
  • Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie (Revision of the Energy Tax Directive „ETD“)
  • Revision der Marktstabilitätsreserve (Revision of the Market Stability Reserve)
  • Sozialer Klimafonds (Social Climate Fund)
  • Mitteilung: Neue EU-Waldstrategie für 2030 (Communication: New EU Forest Strategy for 2030)

Obwohl das Klimapaket sehr weitreichend ist, wird es Nachbesserungen brauchen. Die Europäische Kommission zielt auf eine CO2-Reduktion von netto 55 Prozent bis 2030 gegenüber 1990, was lediglich einer Reduktion von 52,8 Prozent entspricht. Die restlichen 2,2 % sollen durch Bindung von Kohlenstoff in Senken erreicht werden. Das ist eine ungewisse Wette auf die Zukunft, denn bereits heute leiden Wälder und Feuchtgebiete unter dem heißer und trockener werdenden Klima in Europa. Wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen, müssten wir bis zum Jahr 2030 65 Prozent unseres Treibhausgasausstoßes reduzieren. Denn das Ziel des Pariser Abkommens ist eine maximale Erderwärmung von 2 Grad Celsius, am besten nur 1,5 Grad Celsius. Ausgehend von diesem Ziel müssen wir die nötigen Weichen legen. Noch können wir die Klimakatastrophe bremsen. Gerade die kommenden zehn Jahre werden hierfür maßgeblich sein.

Was bedeutet das neue Klimapaket für meine Arbeit im Europäischen Parlament?

Die einzelnen Gesetzesvorschläge der Europäischen Kommission werden von uns Europaabgeordneten in den Ausschüssen bearbeitet und abgestimmt. Danach wird im Plenum des Europäischen Parlament die Position des Parlaments, basierend auf den Vorschlägen aus den Fachausschüssen beschlossen. Danach geht es in die Verhandlungen mit dem Rat der Mitgliedstaaten, der im Vorfeld eine eigene Position beschlossen hat, und der Europäischen Kommission. Das Ergebnis dieser als „Trilog“ bezeichneten Verhandlungen muss per Abstimmung im Europäischen Parlament und im Rat bestätigt werden.

Die Vorschläge der Europäischen Kommission können also noch verändert werden, jedoch sowohl zum Besseren als auch zum Schlechteren. Wir Grüne stellen uns daher auf intensive Monate ein, in denen wir immer wieder grundsätzliche Kämpfe austragen werden. Denn trotz Bränden, Überflutungen, Ernteausfällen und all der bereits sichtbaren Folgen der Klimakrise gibt es nach wie vor Zweifler und Haderer. Einige sehen sogar in der Atomkraft ein angebliches Allheilmittel gegen die Klimakrise. Wir Grüne im Europäischen Parlament werden uns deshalb dafür einsetzen, dass „Fit for 55“ zu „Fit for 1,5“ wird. Dazu kommt: Umwelt- und Sozialaspekte müssen mit der Klimapolitik Hand in Hand gehen.

Hier sind zwei konkrete Beispiele, wo und wie ich mich in den kommenden Monaten für strenge Klimamaßnahmen einsetzen werde:

Energieeffizienz muss an erster Stelle stehen

Mindestens genauso wichtig wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist die Steigerung der Energieeffizienz. Denn die Energie, die wir durch eine effizientere Nutzung einsparen, müssen wir nicht vorher gewinnen, oder wir können sie anderer Stelle einsetzen. Der Energiesektor ist für drei Viertel der weltweiten Emissionen verantwortlich. Laut Internationaler Energieagentur müssen mindestens 40 Prozent dieser Treibhausgase durch effizientere Energienutzung in den nächsten 20 Jahren reduziert werden.

Energieeffizienz ist die kostengünstigste Strategie zur Reduktion klimaschädlicher Treibhausgase und für eine sozial verträgliche Energiewende. Zahlreiche neue Arbeitsplätze können mit ihr geschaffen werden. Trotz all dieser Potenziale sind wir aktuell leider davon entfernt, auch nur unser bisheriges Ziel von mindestens 32,5 % Energieeffizienz bis 2030 zu erreichen. Gleichzeitig muss dieses Ziel nun weiter angehoben werden. Denn die aktuelle Zielmarke passt nicht zum neuen, im Klimagesetz angenommenen Ziel von 52,8 % Reduktion.

Ich freue mich darauf, stellvertretend für meine Fraktion die Energieeffizienzrichtlinie im Europäischen Parlament und in den Trilogen mit Rat und Kommission zu verhandeln.  Leider geht die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag nicht weit genug. So soll es keine bindenden nationalen Ziele geben, sondern nur ein EU-weites Ziel und nationale Selbstverpflichtungen. Dabei wissen wir aus der Vergangenheit, dass Freiwilligkeit selten zu Verbesserungen führt. Auch beim überaus erfolgreichen Instrument der Energiemanagementsysteme sowie verpflichtender Energieaudits macht die Kommission sehr lasche Vorgaben. Nur Unternehmen mit einem Verbrauch von mehr als 10 Terajoule (entspricht 277.000 Kilowattstunden, also 100 Haushalten) müssten eine professionelle Prüfung auf Einspar- und Effizienzpotentiale durchführen lassen. Damit wären nicht einmal große Supermärkte betroffen.

Ich will aber auch Lob aussprechen: Erstmals wird das Prinzip „energy efficiency first!“ ernst genommen, denn im neu gefassten Artikel 3 werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Energieeffizienz nicht nur bei der Energienutzung, sondern auch bei Investitionsentscheidungen, Infrastruktur und bei Kosten-Nutzen-Analysen zu berücksichtigen.

Die Seeschifffahrt muss endlich Verantwortung übernehmen

Als Berichterstatterin zur sogenannten „MRV-Verordnung“ habe ich eine weitreichende Position des Europäischen Parlaments zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in der internationalen Seeschifffahrt verhandelt. An diese Position, die von einer großen Mehrheit der Abgeordneten im September 2020 angenommen wurde, fühle ich mich nach wie vor gebunden. Im Rahmen der Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (ETS) sowie von „FuelEU Maritime“ werde ich mich deshalb dafür stark machen, dass die progressiven Ziele nicht verwässert werden.

Die Ausweitung des EU-Emissionshandels auf die Seeschifffahrt war lange überfällig. In Zukunft werden Schifffahrtsunternehmen mit in die Verantwortung genommen und müssen ihren fairen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum erst ab 2026 100 % der Emissionen bepreist werden sollen. Nicht umsonst hat das Parlament die Aufnahme in den Emissionshandel ab dem 01.01.2022 gefordert, denn durch das Emissionsregister MRV liegen ja alle notwendigen Daten vor. Die Seeschifffahrt war über Jahrzehnte keinerlei bindenden Emissionsreduktionszielen unterworfen. Es gibt keinen Grund, weitere Jahre zu verschenken, in denen fossile Brennstoffe folgenlos von Schiffen in die Atmosphäre geblasen werden. Was die neue Richtlinie für alternative Kraftstoffe in der Seeschifffahrt betrifft, hat die Europäische Kommission auf ganzer Linie enttäuscht. Nicht nur, dass der vorgeschlagene Pfad zum Einsatz alternativer Kraftstoffe nur 70 % im Jahr 2050 als Ziel angibt, es fehlen Quoten für eFuels und die angemessene Berücksichtigung der immens klimaschädlichen Wirkung von Methan, das bei Belieferung und Betrieb von Schiffen, die flüssiges fossiles Erdgas (LNG) als Treibstoff verwenden, unausweichlich freigesetzt wird. Hier wird viel Arbeit zu tun sein.