Green Deal unter Beschuss – Kein Populismus auf Kosten der Allgemeinheit!

Der Schutz unserer Lebensgrundlagen und unserer Gesundheit sollten selbstverständlich sein. Doch was sich gerade in Brüssel abspielt, ist der schamlose Versuch, Wahlkampf auf Kosten der Allgemeinheit zu machen. Wichtige Teile des Europäischen Green Deal verschwinden in Schubladen, lösen sich in Luft auf oder werden öffentlich mit Falschbehauptungen diskreditiert.

EVP-Kreuzzug gegen Nahrungsmittelsicherheit und Naturschutz

Diesen Monat enden die parlamentarischen Verhandlungen zum neuen EU-Gesetz zur Rettung der Natur (Nature Restoration Law NRL). Mit diesem historischen Renaturierungsprogramm soll die Lösung der untrennbaren Zwillingskrisen der Erderhitzung und des Artensterbens in Angriff genommen werden. Es geht um nichts weniger als das Sichern unserer Überlebensgrundlagen.

Doch der Europäischen Volkspartei EVP geht es vor allem um populistische Falschbehauptungen. Mit einer Abschussliste für „unzumutbare“ EU-Gesetze geht Manfred Weber auf Stimmenfang am rechten Rand. Auch das Gesetz zur Rettung der Natur sowie die EU-Verordnung für nachhaltigere Pestizidnutzung (Sustainable Use of Pesticides Regulation SUR) sollen nach dem Willen der EVP von der Kommission „zurückgezogen“ und durch neue Vorschläge „ersetzt“ werden. Die EVP stört sich darüber hinaus auch an folgenden Gesetzesinitiativen und will sie einstampfen:

  • Zero pollution package: Die neuen Vorgaben für saubere Luft und sauberes Wasser würden laut EVP eine „Verbotskultur fördern”. Zur Erinnerung: Laut Europäischer Umweltagentur EEA sterben jedes Jahr rund 240.000 Menschen in Europa vorzeitig an den Folgen schlechter Luft; besonders Kinder sind von gesundheitlichen Langzeitfolgen betroffen
  • Euro 7 Emissionsstandards zur Minimierung von Feinstaub und Stickoxiden
  • Regeln für umweltfreundlichere Dienstwagenflotten
  • Vorgaben gegen Lebensmittelverschwendung in der EU Abfallrahmenrichtlinie und Bodenschutz im geplanten Soil Health Law
  • Rechtsrahmen für nachhaltige Lebensmittel
  • Verordnung über das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit

Bei einem Führungstreffen verabschiedete die Europäische Volkspartei Anfang Mai in München eine Resolution, in der sie ihre Ablehnung gegen NRL, SUR und Co. parteipolitisch festschreibt. Seitdem ist klar: Ab jetzt droht den demokratischen Verhandlungen im Europäischen Parlament die schamlose Sabotage und Blockade. EVP-Parteiinteressen torpedieren den Gesetzgebungsprozess. Der EVP geht es nicht mehr um die gesetzgeberische Arbeit, für die ihre Abgeordneten gewählt wurden, sondern um puren Populismus im Vorfeld diverser nationaler und regionaler Wahlen.

Gesunde Ökosysteme sichern unseren Landwirt*innen ihr Einkommen und uns allen unsere Nahrungsmittelsicherheit. Ohne gesunde Ökosysteme kein trinkbares Wasser, keine fruchtbaren Böden, keine saubere Luft. Statt mit dem Gesetz zur Rettung der Natur zu schützen, was uns erhält, gefährdet die EVP die Zukunft der europäischen Landwirtschaft.

Der Erhalt und die Wiederherstellung gesunder Ökosysteme sind keine Gefahr für die Lebensmittelsicherheit, sondern ihre zwingende Voraussetzung. Pestizide, überdüngte Böden, das Insektensterben und belastete Gewässer sind tickende Zeitbomben. Schätzungen zufolge sind bereits 20-25% der Böden weltweit degradiert, d.h. in ihrer Fruchtbarkeit eingeschränkt. Das Artensterben bedroht schon heute unsere Ernährungssicherheit. Nur nachhaltige und vielfältige Ökosysteme sichern unsere Lebensgrundlagen und steigern nachweislich die Ernten.

Neue Chemikalienverordnung REACH auf der unendlich langen Bank

Die EU-Kommission hat die Vorstellung der dringend benötigten novellierten EU-Chemikalienverordnung „REACH“ mehrmals verschoben, aktuell auf Ende 2023. Das bedeutet, dass es vor den Europawahlen im Juni 2024 keine Verabschiedung der REACH-Verordnung geben wird. REACH ist DIE Grundlage für die Registrierung und Einstufung von Substanzen. Wie notwendig eine Novellierung ist, zeigen die Probleme mit den besonders gesundheits- und umweltschädlichen „Ewigkeitschemikalien“ PFAS: Seit 50 Jahren ist bekannt, wie gefährlich diese Stoffe sind. Aber wegen der langsamen Prozesse in der derzeit gültigen Gesetzgebung konnten bislang erst eine Handvoll dieser Substanzen in ihrer Verwendung eingeschränkt werden – von mehreren Tausend, die bereits an über 17000 Altlasten in Europa nachgewiesen wurden! Wir Grünen/EFA im Europäischen Parlament kämpfen dafür, dass die Versprechen des Green Deal vollständig eingelöst werden. Europa braucht die Chemiewende. Der Kommissionsentwurf für die Neufassung der EU-Chemikalienverordnung muss noch vor dem Sommer auf den Verhandlungstisch!

Nachhaltige Chemikalien aus der EU-Taxonomie verschwunden

Stoffe ändern ihren Aggregatzustand durch die Zufuhr oder Abgabe von Wärme oder durch Veränderung des Druckes. Im Delegierten Rechtsakt zur neuen EU-Taxonomie über Umweltaspekte und Schadstoffe muss der Druck recht hoch gewesen sein, denn nachhaltige Chemikalien sind spurlos aus dem Kommissionsentwurf verdampft. Nur sehr allgemeine Worthülsen sind im Text geblieben. Dabei waren die Empfehlungen der Expert*innen zu Kriterien und Eigenschaften in vorherigen Entwürfen noch enthalten..

Nachhaltigkeitskriterien für Chemikalien in der neuen EU-Taxonomie würden festlegen, welche Chemikalien als nachhaltig gelten und deren Produktion und Verwendung daher in „grünen“ Geldanlagen enthalten sein kann. Für den Ersatz von problematischen Chemikalien würden zudem Forschung und Entwicklung nachhaltiger Alternativen beschleunigt werden. Denn die EU-Taxonomie legt fest, welche Technologien und Aktivitäten für nachhaltige Investitionen und Fördergelder in Frage kommen. Nachhaltige Chemikalien könnten zum Wachstumsmotor in Europa werden. Umso unbegreiflicher, dass sie plötzlich aus der Taxonomie gestrichen wurden.