Was steht in der Plastikstrategie der EU?

Im Januar hat die EU-Kommission eine Strategie vorgelegt, wie sie gegen die unglaublichen 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle vorgehen will. In dieser Strategie finden sich gute Ansätze, aber sie ist in etlichen Punkten sehr unkonkret und greift viel zu kurz.

Nach heutigem Wissen ist das größte Problem das sogenannte Mikroplastik: winzige Partikel, definitionsgemäß mit einem Durchmesser von weniger als 5 mm. Sie breiten sich in allen Ökosystemen aus, werden von Tieren gefressen und gelangen so in die Nahrungskette. An der Oberfläche von Mikroplastik lagern sich zudem Schadstoffe an. Die EU-Kommission will die absichtliche Verwendung von Mikroplastik, zum Beispiel in Kosmetika, einschränken. Allerdings sind das nur 2 % der Mikroplastikpartikel. Viel höhere Anteile stammen aus Kunstrasen­abrieb, dem Waschen von Kunststofftextilien, der Freisetzung bei der Abfallentsorgung und – mit großem Abstand – aus dem Reifenabrieb. Daher wären folgende Maßnahmen notwendig: Die Lauffläche von Reifen muss aus biologisch abbaubarem Material gefertigt werden. Ein erster Hersteller hat bereits letztes Jahr eine Konzeptstudie dazu vorgestellt. Bei der Abfallentsorgung muss die Zerkleinerung in geschlossenen Prozessen erfolgen, mit Filterung der Abluft und des Abwassers. In den Waschmaschinen der Zukunft filtert ein Ultrafilter die Fasern aus Fleece-Pullovern und Polyesterblusen. Für Bodenbeläge im Außenbereich braucht es noch Forschung – Alternativen zu Kunstrasen und Tartanbahn sind bislang nicht in Sicht.

Recycling soll nach dem Willen der EU vorangebracht werden. Heute bedeutet Recycling oft „thermisches Recycling“ – ein Euphemismus für Verbrennung. Mit besseren Qualitätsstandards für gesammelte Abfälle soll es möglich werden, das heute bestenfalls zu Parkbänken verarbeitete Plastik wieder zu neuen hochwertigen Produkten zu verarbeiten. Hier muss viel früher angesetzt werden: Produkte, die nicht vollständig recycelt werden können, müssen nach einer Übergangsfrist vom Markt. Denn in aller Regel gibt es Alternativen, die daher zum Standard erhoben werden müssen. Der bloße Appell an die Industrie zu einer entsprechenden Selbstverpflichtung und die „Erwägung“ konkreter Anforderungen reichen nicht!

Beim Kampf gegen die direkte Meeresvermüllung sind bereits erste Schritte gemacht worden: Häfen müssen bessere Infrastruktur bereit stellen, Fischerei und Aquakulturen müssen Maßnahmen gegen den Verlust von Netzen ergreifen. Auch eine bessere Unterstützung der Mitgliedsstaaten ist vorgesehen, ebenso die Entwicklung standardisierter Methoden zur Messung von Mikroplastik im Meer.

Die Verringerung von Einwegprodukten wird bislang recht zögerlich angegangen: mit dem Verbot von Plastik-Strohhalmen und -besteck ist es leider nicht getan. Hier müssen sehr viel deutlichere Schritte folgen. Wenigstens soll sogenanntes „oxo-plastic“, das besonders rasch in kleinere Bestandteile fragmentiert, nach der Chemikalien-Verordnung REACH reguliert werden.

Bei dem Weg in eine Kreislaufwirtschaft sind die vorgeschlagenen Schritte sehr zaghaft: da soll „untersucht“, „unterstützt“ und „entwickelt“ werden. Mit klaren Vorgaben und festen Reduktionspfaden für die Verwendung von Rohöl bzw. seinen Bestandteilen sowie von besonders problematischen Kunststoffen wäre der Branche besser gedient – wenn alle wissen, worauf sie sich einstellen müssen, sind Investitionen und Entwicklungen erst planbar.

All diese Vorhaben sollen durch die Mitgliedsländer entwickelt und umgesetzt werden. Hier droht ein Flickenteppich unterschiedlichster Maßnahmen, die unter Umständen sogar zu Betrug einladen. Besser wären ein einheitlicher Instrumentenkasten und konkrete Ziele: bislang ist nur vorgesehen, dass die Industrie Vorschläge macht, die sich idealerweise auf 10 Millionen Tonnen recycelten Plastiks addieren sollen.

Und zu guter Letzt will sich die EU auch weltweit an Projekten und Forschungsvorhaben beteiligen sowie die Bekämpfung des Problems bei den UN, den G 7 und den G 20 voranbringen. Außerdem sollen mit ihren Handelspartnern ebenfalls Maßnahmen verabredet und weltweit Standards für Recyclinganlagen festgelegt werden.

Viel zu kurz kommt aber die naheliegendste Alternative: Vermeiden! Nicht nur im Supermarkt, auch im gewerblichen Handel entsteht viel zu viel Verpackungsmüll. Zum einen sind die Verpackungen oft zu aufwändig und voluminös, zum anderen wird primär auf Einwegprodukte gesetzt. Pfandsysteme sind hier wegen der unglaublich billigen Herstellung von neuen Kunststoffen nicht konkurrenzfähig – weil die Schäden für die Umwelt sich nicht im Preis des Einwegkunststoffs wiederfinden. Das altbewährte System reduce (verringern) – replace (ersetzen) – refine (verbessern) muss daher per Ordnungsrecht durchgesetzt werden. Dazu war man in Brüsssel (noch) nicht bereit.