COP15 muss zum Wendepunkt im Artenschutz werden

Der Weltbiodiversitätsrat schätzt, dass von den acht Millionen bekannten und noch unbekannten Arten auf unserem Planeten zwei Millionen bedroht und davon eine Million vom Aussterben bedroht sind. Heute beginnt in Montreal die 15. Weltbiodiversitätskonferenz COP15, wo die Weltgemeinschaft bis zum 19. Dezember 2022 über den Schutz von Ökosystemen und Spezies bis 2030 verhandeln wird. 

Die COP15 muss zum Wendepunkt für den Schutz von Tier- und Pflanzenarten werden. Mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt wurde der Erhalt der Biodiversität 1992 erstmals völkerrechtlich verankert und als gemeinsames Menschheitsanliegen festgeschrieben. Trotzdem hat die Weltgemeinschaft es bis heute nicht geschafft, die seither gesteckten Ziele zum Schutz der weltweiten Artenvielfalt umzusetzen. Beim Erhalt der Biodiversität geht es um nicht weniger als um die Rettung der Grundlagen unserer Existenz. Ohne gesunde Ökosysteme gibt es kein sauberes Wasser, keine fruchtbaren Böden, keine Luft zum Atmen.

Als Mitglied der Delegation des Europäischen Parlaments nehme ich in Montreal an den Verhandlungen Teil und setze mich dafür ein, dass das neue Abkommen Maßnahmen für einen effektiven Schutz von mindestens 30 Prozent aller terrestrischer und maritimer Flächen sowie eine solide Finanzierung und einen klaren Zeitplan zur Umsetzung beinhaltet. Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, auf die Untrennbarkeit von Klimakrise und Biodiversität hinzuweisen. Klimaschutz und der Schutz von Tier- und Pflanzenarten gehören zusammen. Naturbasierte Lösungen sind wichtige Bausteine zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze und helfen auch bei der Klimaanpassung. Die Verpflichtung zur Wiedervernässung von Mooren, zum Schutz von Wäldern und Meeren, das Ende der Finanzierung nicht-nachhaltiger Landwirtschaft und das Umlenken von Investitionen in die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume können den Weg für den Schutz von Millionen Tier- und Pflanzenarten ebnen und letztlich den Erhalt der Grundlagen unserer Zivilisation sichern. Der Schutz der Biodiversität muss in allen Politikbereichen bedacht werden.

Wie kann ein erfolgreiches Ergebnis auf der COP15 aussehen?

In den nächsten zwei Wochen muss sichergestellt werden, dass mindestens 30 Prozent der weltweiten terrestrischen und maritimen Flächen unter Schutz gestellt werden. Hierfür braucht es effektive Managementpläne und Verwaltungsstrukturen. Schutzgebiete auf dem Papier halten das Aussterben nicht auf. Es braucht konkrete Pläne und die nötigen finanziellen und logistischen Mittel zur Erreichung von Schutzzielen. 

Globale Ziele zum Schutz von Arten und Lebensräumen sind wichtig, denn das Artensterben betrifft alle Länder und Kontinente. Damit sich weltweit etwas bewegen kann, müssen alle Länder ihre Hausaufgaben machen. Eine wichtige Rolle spielen dabei solide Umsetzungspläne mit klar definierten nationalen Zielen. Diese müssen regelmäßig und pro Land überprüft werden. Es muss sichergestellt werden, dass Länder, die Schwierigkeiten in der Umsetzung erleben, die nötige finanzielle und anderweitige Unterstützung erhalten.

Indigene Völker und lokale Gemeinschaften müssen bei Entscheidungen, der Finanzierung und der Verwaltung zum Artenschutz miteinbezogen werden, denn die leisten einen wichtigen Beitrag für den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen. Indigene Gruppen und Kleinbäuer*innen werden weltweit bedroht, vertrieben und ermordet. Deshalb müssen sie geschützt und unterstützt werden.

Ambitionierte Schutzziele und detaillierte Umsetzungspläne allein reichen für einen erfolgreichen Schutz unserer Biodiversität nicht aus. Es braucht auch die nötigen finanziellen Mittel. Reiche Industrieländer stehen hier besonders in der Verantwortung. 

Am Ende der COP15 muss ein gerechter Mechanismus zum Teilen und Nutzen digitaler Sequenzinformationen („digital sequence information“ – DSI) stehen. Bei DSI geht es um den Zugriff auf genetische Daten von Organismen und die Frage ob und wie diese genutzt werden können. Die Gewinne durch eine Nutzung dieser DSI für kommerzielle Zwecke könnten beispielsweise in einen internationalen Mechanismus fließen, der die Gewinne auf die Unterstützung von Erhaltungsmaßnahmen verteilt.

Wir brauchen weltweite Moratorien für den Tiefseebergbau und für das Einbringen genveränderter Organismen in die Natur. Die Folgen des Tiefseebergbaus auf die Ökosysteme der Meere sind noch nicht abschließend erforscht und sollten deshalb nicht erlaubt sein. Neue Technologien, die auf Gentechnik basieren, dürfen nicht frühzeitig in die Umwelt gelangen, ohne dass sie und ihre möglichen Folgen umfassend untersucht wurden und lokale Gemeinschaften in den Entscheidungsprozess miteinbezogen wurden.