EU-Taxonomie: Fachausschüsse lehnen Greenwashing von Atomkraft und Gas ab

Soeben haben die zuständigen Fachausschüsse des Europäischen Parlaments gegen ein Nachhaltigkeitslabel für Atomkraft und Gas in der EU-Taxonomie gestimmt. Eine Mehrheit der Abgeordneten des Umwelt- und des Wirtschaftsausschusses nahm den fraktionsübergreifenden Einspruch gegen den von der Europäischen Kommission vorgelegten zweiten Delegierten Rechtsakt zur EU-Taxonomie, einem Klassifizierungsverfahren für nachhaltige Finanzen, an. Anders als im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren können die Abgeordneten einen Delegierten Rechtsakt der Kommission lediglich ablehnen oder stillschweigend annehmen. 

Dazu kommentiert die Energieexpertin der Grünen im Europäischen Parlament, Jutta Paulus, Mitglied im Umweltausschuss:

„Die fachlich zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments senden ein klares Signal, das Greenwashing von Atomkraft und Gas zu stoppen. Der von der Europäischen Kommission gegen eine Vielzahl wissenschaftlicher und rechtlicher Bedenken durchgedrückte zweite Delegierte Rechtsakt verstößt gegen die Grundsätze der EU-Taxonomie-Verordnung. Nur das Europäische Parlament kann jetzt noch verhindern, dass die Glaubwürdigkeit der Taxonomie zerstört wird. Denn Anlegerinnen und Anleger werden kein Vertrauen in ein Label haben, das die Klimaschäden von fossilem Gas und den strahlenden Müll der Atomkraftwerke herunterspielt. 

Mit einem Greenwashing von Atomkraft und Gas würden weitere Milliarden in die fossil-atomare Wirtschaft gelenkt, die wir dringend für die Energiewende brauchen.  Es wäre absurd, wenn das Werben gerade russischer Lobbyisten für die Aufnahme von Atomkraft und Gas in die Taxonomie Erfolg hätte.“

Hintergrund:

Die EU-Taxonomie ist eine für alle EU-Mitgliedstaaten bindende Verordnung, mit der Kriterien für nachhaltige Investitionen definiert werden. Da im Rahmen der Verhandlungen zur Taxonomieverordnung keine Einigung zur Rolle von Erdgas und Atomkraft erzielt werden konnte, wurde die Klärung dieser Punkte verschoben und die Europäische Kommission aufgefordert, auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse einen Delegierten Rechtsakt vorzulegen. 

Mit ihrem 2. Delegierten Rechtsakt plant die Europäische Kommission, Atomkraft und Erdgas ab 2023 als nachhaltige Übergangstechnologien einzustufen. Atomkraft soll nach dem Willen der Kommission als nachhaltig gelten, falls Fonds für die Lagerung des Atommülls und den Rückbau der Kraftwerke existieren und Pläne für ein Endlager existieren. Das soll nicht nur Neubauten, sondern auch Laufzeitverlängerungen betreffen. Investitionen in fossiles Erdgas sollen bis 2030 möglich sein, unter der Bedingung, dass es Pläne oder Verpflichtungen für den Einsatz sogenannter „low carbon“ Gase spätestens ab 2035 gibt. Eine Vielzahl von Expertinnen und Experten, unter ihnen auch die Europäische Investitionsbank, lehnen das Kommissionsvorhaben ab.