Ja, Steuern steuern – auch beim Klimaschutz! Eine Antwort an Jasper von Altenbockums Kommentar vom 16. September 2019
Jede Politik scheitert, die das Gesamtbudget an Klimagasen in der Atmosphäre nicht einhält.
Klimaschutz als politische Aufgabe war von Anfang an mit zwei zentralen Problemen konfrontiert: Zum einen erschienen die Auswirkungen unklar, weit in der Zukunft liegend und die Zusammenhänge unübersichtlich. Zum anderen kennt die Marktwirtschaft zwar das Problem der „externalisierten Kosten“, aber bestehende Preismechanismen wie der europäische Emissionshandel reichen ganz offensichtlich nicht aus – schon deshalb, weil nur die Hälfte der Emissionen adressiert wird. Während Dürre, Hitze und Überschwemmungen mittlerweile die Klimakrise auch in Mitteleuropa spürbar werden lassen, sind Instrumente zur Senkung der Emissionen aus Verkehr und Wärme zentraler Bestandteil der aktuellen Debatte.
Für eine Systemdebatte bleibt keine Zeit mehr. Wir müssen also innerhalb des bestehenden Wirtschaftssystems schnelle Lösungen finden. Deshalb braucht CO2 (neben anderen Treibhausgasen) einen Preis.
Diese bewusst offene Formulierung rekurriert auf den Fakt, dass Zwischenziele mit festen Jahresdaten wichtig sind, um die eigene Strategie in Richtung Klimaneutralität anhand harter Zahlen zu überprüfen. Entscheidend ist aber, dass ein (für Menschen) erträgliches Klima nur unterhalb einer Gesamtmenge von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre wahrscheinlich ist. Ob nun der Zertifikatehandel, eine CO2-Steuer oder ganz andere Vorschläge die besten Lösungen für eine schnelle Reduktion unserer Emissionen sind, ist ehrlich gesagt nachrangig. Denn jede Klimaschutzpolitik scheitert, mit der „unser“ Emissionsbudget überschritten wird.
Wie sollte Politik in eine Marktwirtschaft lenkend eingreifen, wenn nicht über den Preis? Dabei ist doch offenkundig, dass Subventionen – zum Beispiel für Dieselfahrzeuge oder die Pendlerpauschale – für den Klimaschutz unerwünschte Effekte produzieren. Gleichzeitig lassen sich dutzende Beispiele finden, bei denen die Preis- oder Steuergestaltung Auswirkungen hatte – vom Tabakkonsum bis hin zum Umgang mit Immobilien. Ebenso klar ist, dass ohne den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien Deutschlands Treibhausgasemissionen viel höher wären.
Gerade die neu erschienene cep-Studie „Wirksame CO2-Bepreisung – Jetzt die Weichen richtig stellen!“ macht – trotz einer starken Skepsis gegen Ordnungspolitik, die ich nicht teile – deutlich, dass die Ausgestaltung einer CO2-Bepreisung für deren Erfolg oder Misserfolg entscheidend ist. Aber zweifellos braucht es eine Bepreisung, da sonst eine Marktwirtschaft in den Preisallokationsmechanismen des 20. Jahrhunderts verhaftet bliebe.
Aus dieser Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft kann die Transformation folgen, die nötig ist und die Zeit brauchen wird. Von heute auf morgen werden weder alle Speichersysteme noch alle Leitungen errichtet werden können, weder technologische Fortschritte noch Verhaltensänderungen erreicht werden, weder die komplette Energieversorgung regenerativ erfolgen noch Bahnstrecken ausgebaut werden.
In Deutschland wird um Mittel und Wege des Klimaschutzes gerungen. Endlich, möchte man sagen. Als Klimapolitikerin ist mir das bei allem Streit in der Sache am Wichtigsten. Neben der Einhaltung der Molekülgrenze in der Atmosphäre, natürlich. Und für dieses Ziel braucht es eine CO2-Bepreisung mit Lenkungswirkung. Die kann es geben – wenn man denn will.
Jutta Paulus, MdEP
Link zum Kommentar:
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/klimapolitik-der-cdu-die-groesste-baustelle-der-merkel-aera-16387719.html