Neue EU-Energiegesetze: Effizienz und Erneuerbare für Klimaziele und Energiesicherheit

Klimaziele und Energiesouveränität lassen sich nur erreichen, wenn der Ausbau Erneuerbarer Energien und Energieeffizienzmaßnahmen gleichermaßen beschleunigt werden. Deshalb schlägt die Europäische Kommission im Rahmen des Europäischen Green Deal die Revision der EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) sowie der Erneuerbare Energien-Richtlinie (RED III) vor. Ich habe für meine Fraktion als grüne Schattenberichterstatterin am Parlamentsvorschlag der EED mitgearbeitet. Im Juli haben wir Abgeordnete im für die EED zuständigen Industrie-, Forschungs- und Energieausschuss (ITRE) mit großer Mehrheit unsere Position zur Effizienzrichtlinie abgestimmt. Diese wurde nun auch im Plenum als finale Parlamentsposition angenommen. Bei der Erneuerbaren-Richtlinie RED III war die Zuständigkeit geteilt: hier ist der ITRE federführend, die Kriterien für nachhaltige Biomasse darf aber exklusiv der Umweltausschuss ENVI festlegen. Daher wurde die Abstimmung im Plenum mit großer Spannung erwartet.

 

EED und RED III sind zentrale Gesetze zur Erreichung des EU-Klimaziels einer Treibhausgasreduktion von mindestens 55 Prozent bis 2030.

Doch liefern sie, was hierfür nötig ist?

EED – EU-Energieeffizienzrichtlinie

Die Kommission hatte bereits einen ambitionierten Entwurf vorgelegt. Wir Grüne haben über 150 Änderungsvorschläge eingebracht, um Studien zufolge vorhandene Potential von mehr als 20% auch wirklich zu heben. . In den Verhandlungen konnte ich erreichen, dass viele meiner Punkte übernommen wurden.

„Energy Efficiency First“ – die Energieeffizienz muss an erster Stelle stehen. Dieses Prinzip gilt es fortan bei allen größeren Investitionen zu beherzigen – nicht nur auf Regierungsebene, sondern bis hinunter in die Kommunen. Energie, die nicht verbraucht wird, muss nicht erzeugt, transportiert und auch nicht bezahlt werden.  Die Energieeffizienzrichtlinie kann zum wichtigsten Werkzeug für Energiesicherheit und gegen die Abhängigkeit von Energieimporten werden.

Was ist nun in der Parlamentsposition zur Effizienzrichtlinie enthalten?

  • Ein verpflichtendes EU-Energiesparziel von 14,5 Prozent in der Dekade 2020 bis 2030. Dieses Ziel gilt im Vergleich zum sogenannten Referenzszenario und entspricht einer Verringerung des Energieverbrauchs um 25 %. Die EU-Kommission hatte ursprünglich 9 % vorgeschlagen. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine legte die Kommission den RePowerEU-Plan vor, der uns von russischem Gas unabhängig machen soll. Darin war ein Effizienzziel von 13 % enthalten. Unabhängige Studien haben ein Potential von bis zu 23 % errechnet, aber das Verhandlungsergebnis von 14,5 % stellt einen guten Kompromiss dar.
  • Verpflichtende nationale Einsparziele. Während die die Kommission zwar ein bindendes EU-weites Ziel vorschlägt, sieht sie für die Mitgliedstaaten nur „indikative“, also unverbindliche Beiträge vor. Wir Abgeordnete dagegen wollen nicht nur verbindliche Zahlen, sondern auch klare Kriterien für die Verpflichtungen jedes einzelnen EU-Mitgliedstaats. Die Kriterien umfassen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, (verbleibendes) Potential und Energieintensität der Industrie.
  • Zwischenziele bis 2025 und 2027: Um nicht 2030 ein böses Erwachen zu erleben, wollen wir regelmäßig überprüfen, ob die Mitgliedstaaten bei ihren Effizienzprogrammen auf dem richtigen Weg sind. Verpflichtend sind jährliche Einsparungen von 2 %, die maximal zu einem Viertel durch den Einsatz fossiler Energien erreicht werden dürfen. Im Wohngebäudesektor dürfen Einsparungen mit Hilfe fossiler Energien nicht angerechnet werden – damit sind Subventionen von Gasheizungen endlich ein Auslaufmodell.
  • Verringerung des Energieverbrauchs von Gebäuden in öffentlicher Hand: Die Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, den Energieverbrauch aller Gebäude in öffentlicher Hand oder mit öffentlichen Aufgaben jedes Jahr um zwei Prozent zu senken. Dabei sind nicht nur Regierungsbauten gemeint, sondern auch Rathäuser, Schulen, Krankenhäuser oder Sozialwohnungen Um dies zu erreichen, sollen unter anderem jährlich drei Prozent der Nutzfläche der öffentlichen Gebäude renoviert werden. In Deutschland sind Gebäude für 35 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich.
  • Energiearmut: Erstmals wird in einem Gesetzestext eine klare Definition für Energiearmut festgeschrieben, und die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, Effizienzmaßnahmen insbesondere für einkommensschwache Haushalte zu fördern.
  • Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe: Energiemanagementsysteme und Energieaudits sind wirksame Instrumente, um Energieverschwendung im gewerblichen Bereich zu verringern. Das bestätigt der Europäische Rechnungshof in seiner Untersuchung vom letzten Jahr. Wir haben die Schwellenwerte, ab denen ein Betrieb ein Energiemanagementsystem einführen bzw. eine Energieberatung durchführen lassen muss, deutlich gesenkt (auf 70 bzw. 1,7 GWh) und die Umsetzung von Maßnahmen, die sich binnen drei Jahren amortisieren, verpflichtend gemacht. Bei den heutigen hohen Energiepreisen sind das eine ganze Menge!
  • Datenzentren werden in die Pflicht genommen: Der Energieverbrauch im IT-Bereich steigt ständig an, und auch wenn viele Anbieter inzwischen auf Erneuerbare Energien setzen, ist es höchste Zeit, auch hier mehr Effizienz einzufordern. Dazu brauchen wir allerdings erst einmal verlässliche Daten. Deshalb wird eine EU-weite Datenbank aufgebaut, und die Kommission wird aufgefordert, auf Basis dieser Daten adäquate Mindestanforderungen für Energie- und Ressourceneffizienz festlegen.
  • Kommunen einbeziehen: Städte und Kommunen ab 35.000 Einwohner*innen sollen eine Wärme- und Kälteplanung auflegen. Denn ganze Stadtviertel mit Fernwärme oder -kälte zu versorgen oder auch mit angepasster Infrastruktur den Energiebedarf zu verringern, zahlt sich für alle aus!

Erneuerbare Energien Richtlinie (RED III)

Eine große Mehrheit im Europäischen Parlament hat sich für ein höheres EU-Ziel für  Erneuerbaren Energien im gesamten Energiesystem (Strom, Wärme, Mobilität, Industrie) ausgesprochen. Während Erneuerbare Energien immer kostengünstiger werden, zeigt die aktuelle Situation, wie gefährlich eine Abhängigkeit von Lieferanten fossiler Brennstoffe ist. Allerdings wollten die Unionsfraktionen sogenannte „low carbon“ Energien (also fossile Brennstoffe + CCS) und Atomenergie in die Richtlinie aufnehmen. Das konnten wir Grüne erfolgreich verhindern. Auch Palm- und Sojaöl sollen in Zukunft nicht mehr im Autotank landen.

Die Punkte im Einzelnen:

  • Ziel: Für ein EU-weites Ziel von mindestens 45 % Erneuerbare Energien spricht sich eine übergroße Mehrheit der Abgeordneten aus. Gegenüber dem bisherigen Ziel von 32 % ist dies eine enorme Steigerung. Sie wird umso leichter zu erreichen sein, je stringenter die Richtlinie zur Energieeffizienz umgesetzt wird – jede eingesparte Kilowattstunde muss nicht durch Erneuerbare geliefert werden!
  • Biomasse: Das Kaskadenprinzip, nach dem Holz zunächst stofflich genutzt werden sollte, konnte trotz des starken Lobbydrucks erhalten werden. Dennoch gibt es für die von uns angestrebte Regelung, „Primärholz“, also Stämme, Äste, Stumpen, nicht als Erneuerbare Energie im Sinne der Richtlinie anzurechnen, nach sehr knappen Abstimmungen im Plenum zahlreiche Ausnahmen. Dabei brauchen wir unser Nutzholz dringend für nachhaltiges Bauen, und unsere Wälder leiden ohnehin schon unter Dürre und Hitze. Auch für ein Ende der Verwendung von Nahrungsmitteln zur Energiegewinnung konnten wir leider keine Mehrheit finden. Es bleibt also bei der bisherigen Regelung mit festen Obergrenzen für Nahrungs- und Futtermittel.
  • Gebäude: hier hat das Parlament ein Ziel von 49 % für 2030 beschlossen, davon dürfen 20 % aus Abwärme stammen. Bevorzugt wird die dezentrale Ernte Erneuerbarer direkt am Gebäude – durch Photovoltaik, Solarthermie, oder in sehr windreichen Regionen auch Kleinwindanlagen.
  • Industrie: hier ist besonders viel Nachholbedarf. Deshalb gibt einen Richtwert von 1,9 % jährlicher Erhöhung des Anteils Erneuerbarer am Energieverbrauch der Industrie und im Jahr 2030 sollen 50 % des vorhandenen grünen Wasserstoffs für die Industrie reserviert werden. Wichtiger ist allerdings, dass ab 2027 Niedertemperaturwärme bis 200 °C nicht mehr mit fossilen Brennstoffen erzeugt werden darf, denn hier besteht das größte Einsparpotential. Es braucht auch eine bessere Übersicht über den Wärme- und Kältebedarf der Industrie, damit bspw. Abwärme sinnvoll verwendet werden kann.
  • Heizen und Kühlen: Pro Jahr soll der Anteil Erneuerbarer im Heizmix um 2,3 % steigen; wird auch Abwärme genutzt, erhöht sich der Zielwert auf 2,8 % pro Jahr. Besonders Fernwärme und -kälte sollen verstärkt mit Erneuerbaren Energien dekarbonisiert werden.
  • Verkehr: Durch den Einsatz Erneuerbarer Energien soll die Treibhausgasintensität im Verkehrssektor um mindestens 16 % sinken. Das bedeutet, dass für die gleiche Energiemenge 16 % weniger Treibhausgase emittiert werden. Angerechnet werden sowohl Strom aus erneuerbaren Quellen sowie Treibstoffe aus Biomasse und eFuels. Bei den Biotreibstoffen gilt eine Quote von 0,5 % im Jahr 2025 und 2,2 % im Jahr 2030 für die Herstellung aus Reststoffen; eFuels sollen Quoten von 2,6 % 2028 und 5,7 % 2030 erreichen. Sie sollen insbesondere in der Schifffahrt eingesetzt werden.
  • Systemintegration: Die Mitgliedstaaten sollen neben dem Ausbau der Erneuerbaren auch Speicher und Flexibilitätsoptionen fördern, um das System fit für 100 % Erneuerbare zu machen. Batterien, Wärme- und Kältespeicher, Wärmepumpen, Elektroautos, Betriebe mit verschiebbaren Energiebedarfen – wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, und jede*r soll teilhaben können. Denn Klimaschutz geht uns alle an!

Beide Richtlinien werden nun zwischen Parlament, Rat und Kommission verhandelt, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Energiesouveränität und Klimakrise erlauben keine weiteren Verwässerungen. Gerade die EU-Mitgliedstaaten müssen nun Verantwortung zeigen!