RaDVaC (Rapid Deployment Vaccine Collaborative)

RaDVaC – Erläutert

RaDVaC (Rapid Deployment Vaccine Collaborative) ist ein open-source Forschungsprojekt zur Impfstoffentwicklung. Getragen wird es von Expert:innen aus Biochemie und Virologie, überwiegend aus dem universitären Bereich – es ist keine Firma beteiligt. Alle Informationen können online abgerufen werden; sie stehen unter einer „creative commons“ Gemeinwohllizenz und dürfen von jedermann verwendet werden.

Der RaDVaC-Impfstoff wird als Nasenspray verabreicht und kann deshalb auch ohne medizinische Hilfe angewendet werden. Die Herstellung des Impfstoffs ist kostengünstig, die benötigten Materialien sind leicht zu beschaffen. Basis des Impfstoffs sind Oligopeptide, also Fragmente der Virusproteine, die selbst nicht infektiös sind, aber eine Immunantwort direkt in der Nasenschleimhaut hervorrufen. Die verwendeten Peptide können rasch an neue Virusvarianten angepasst werden. Sie werden auf Chitosan-Nanopartikel aufgebracht, die zugleich als Immunstimulans dienen.

Chitosan wird aus Chitin gewonnen, dem Hauptbestandteil von Insekten- und Krustentierpanzern und seit langem für medizinische Zwecke verwendet. Die intranasale Verabreichung von Chitosan-basierten Impfstoffen im Radvac-Projekt zeigte milde Nebenwirkungen und eine hohe Wirksamkeit gezeigt, sofern sie in einem Prime-Boost-Schema verabreicht wurden (sowohl in Tiermodellen als auch in Studien an Freiwilligen). Sowohl auf der Nasenschleimhaut als auch im Blut war eine gute Immunreaktion nachweisbar. Der RaDVaC-Impfstoff wurde noch nicht in klinischen Studien getestet. Bei der Verwendung über mehrere Monate von über 100 Freiwilligen traten keine Infektionen mit COVID19 auf, als schwerwiegendste Komplikation berichteten einige Teilnehmende eine verstopfte Nase und Kopfschmerzen.

 

Vorteile des RaDVaC-Impfstoffs

Der RaDVaC-Impfstoff hat vier Vorteile.

  • Komplementärer Einsatz zu anderen Impfstoffen zur Verbesserung des Impfschutzes möglich.
  • Geringes Risiko für Nebenwirkungen, da nur sehr kleine Proteinpartikel lokal eingesetzt werden, während andere Impfstoffe größere Virus-Einheiten in die Blutbahn einbringen.
  • Die Immunantwort wird in der Nasenschleimhaut, am Ort der potentiellen Infektion, induziert; das ist bei injizierten Impfstoffen nicht unbedingt der Fall.
  • Erste Untersuchungen lassen vermuten, dass eine starke T-Zell-Immunantwort ausgelöst wird. Das würde einen lang anhaltenden Impfschutz bedeuten.

 

Potenzielle Probleme des RaDVaC-Impfstoffs

Die Sicherheit der Eigenanwendung und die Wirksamkeit sind noch nicht systematisch geprüft. Nasal angewendete Impfstoffe haben sich in früheren Studien als sehr sicher erwiesen, aber das kann noch nicht garantiert werden.

Die Bewertung der schützenden Immunantwort ist eine Herausforderung, insbesondere bei nasalen Impfstoffen. Der Impfstoff wurde entwickelt, um eine mukosale Immunantwort an den primären Eintrittsstellen des Virus in den Körper (Nase und Lunge) hervorzurufen. Bisher sind positive Signale messbar, die allerdings noch bestätigt werden müssen.

Ein weiteres Problem könnte sein, dass in Antikörpertests keine positive Wirkung sichtbar ist. Das liegt daran, dass intranasale Impfstoffe verschiedene Arten von Immunantworten hervorrufen können. Obwohl eine wirksame und reproduzierbare Immunantwort auf der Schleimhaut erfolgt, muss die Antikörperantwort im Blut nicht notwendigerweise ausgeprägt sein – aber das heißt nicht, dass keine systemische Wirkung vorhanden ist. Generell unterscheidet man zwischen humoraler Immunität (vermittelt durch B-Zellen und Antikörper) und zellulärer Immunität (vermittelt durch T-Zellen). Die Messung der T-Zell-Immunität ist viel schwieriger als die Bestimmung der Antikörperkonzentration und kann nur in spezialisierten Labors erfolgen. Dieses Problem betrifft auch per Spritze verabreichte Impfstoffe.

 

Derzeit wurde noch keine klinische Studie durchgeführt, sondern nur Tests mit Freiwilligen – meist den Wissenschaftler:innen selbst und ihrem Umfeld. Um die Wirksamkeit beurteilen zu können, sind klinische Studien natürlich unerlässlich. Durch das Open-Source-Prinzip ist es allerdings schwierig, einen Sponsor für die klinischen Studien zu finden. Denn Hersteller sind nur bereit, für klinische Studien zu bezahlen, wenn sie ein Patent auf den Wirkstoff angemeldet haben.

Ich habe die Europäische Kommission gefragt, ob im Rahmen des HERA-Inkubators eine Möglichkeit vorgesehen ist, auch klinische Studien für leicht einsetzbare Open-Source-Impfstoffe zu finanzieren, hinter denen kein kommerzielles Interesse steht, weil die Patente unter Creative Commons lizenziert sind, oder ob ein solches Programm bereits existiert. Die Antwort: Grundsätzlich ist das möglich – es müsste sich aber ein offizieller Sponsor finden.

Auch mit der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA hatte ich einen Austausch zu diesem Thema, mit ähnlicher Antwort: die Zulassungsbehörde steht dem Konzept offen gegenüber, es muss aber ein offizieller Antrag auf Zulassung gestellt werden.

Ich werde mich jetzt mit NGOs in Verbindung setzen, um unsere Möglichkeiten für ein gemeinsames Vorgehen in dieser Sache auszuloten.