SOER 2020 -Teil 10 von 11- Industrielle Verschmutzung

2016 wurden allein in Rheinland-Pfalz 17.621 kg Schwermetalle ins Wasser und 51 kg in die Luft emittiert. Das Löwenanteil stammt vom Ludwigshafener Standort des Chemiekonzerns BASF. Durch die Überwachung im Rahmen der Messpflichten der Europäischen Union sind Anzahl und Art der gefährlichsten Emissionen bekannt. Aus der Analyse dieser Daten schlussfolgert die Europäische Umweltagentur: Die Freisetzung von Schadstoffen durch die europäische Industrie ist in den letzten zehn Jahren generell zurückgegangen, insbesondere Luftschadstoffe sind stark rückläufig. Von der Industrie müssen jedoch nur die Emissionen historisch wichtiger Schadstoffe gemeldet werden, es fehlen daher Informationen über ggf. neu auftretende Schadstoffe, sodass eine Gesamtbewertung der Transformation zu sauberen Produktionsprozessen nicht erfolgen kann. Im Kapitel Industrielle Verschmutzung des Umweltstatusberichts erläutert die Umweltagentur ihre Erkenntnisse genauer und beschreibt die noch offenen Probleme beim Schutz von Menschen und Natur vor gefährlichen Chemikalien.

Zusammenfassung:

Die Auswirkungen und indirekten Kosten industrieller Emissionen bezüglich Umwelt und menschlicher Gesundheit sind nach wie vor hoch. Die derzeitige Gesetzeslage reicht nicht aus, um das gesamte Ausmaß der industriellen Umweltverschmutzung zu erfassen. Die durch die Politik zur Eindämmung des Klimawandels angeregte Dekarbonisierung der Industrie dürfte mittel- und langfristig die Haupttriebkraft auch für die Verringerung der industriellen Luftschadstoffemissionen sein. Es gibt jedoch einen klaren Bedarf für die weitere Integration von Umweltzielen in die Industriepolitik der EU.

Wichtige Trends und Aussichten

Nicht alle Schadstoffe, die von der Industrie in die Umwelt freigesetzt werden, werden überwacht oder gemeldet. Beispielsweise sind mehr als 22 600 chemische Stoffe zur Verwendung im Rahmen der Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-Verordnung) registriert, während die europäische Industriepolitik eine regelmäßige Emissionsberichterstattung nur für 91 spezifische Schadstoffe vorschreibt.

Die Industrie war im Jahr 2017 für mehr als ein Viertel der Emissionen von Stickoxiden (NOx), Feinstaub (hier als Partikel ≤ 10 μm, PM10) und Kohlenmonoxid (CO) sowie für mehr als die Hälfte der Gesamtemissionen von Treibhausgasen, Schwefeloxiden (SOx) und flüchtigen organischen Verbindungen außer Methan (NMVOC) verantwortlich. Der relative Anteil der Industrie hat sich bezüglich der gesamten Schadstoffemissionen seit 2007 nicht wesentlich verändert. Luftschadstoffe stammen häufig aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, hier sind insbesondere Emissionen von SOx, NOx, PM10, Schwermetallen einschließlich Quecksilber sowie Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) und Lachgas (N2O) zu nennen. Dies gilt natürlich für Kraftwerke, aber auch für viele weitere industrielle Aktivitäten, die dezentral mit Strom- oder Wärmeproduktion vor Ort gespeist werden, wie z. B. Zement- oder Stahlproduktion.

Die säurebildenden Eigenschaften von Schwefeldioxid (SO2) (sowie anderer Schadstoffe wie NOx) führten seit den 80er Jahren zu dem bekannten Umweltphänomen des „sauren Regens“, der in vielen Teilen Europas Böden und Süßwasser schädigte sowie zum Verlust von Fischbeständen und zur Schwächung der Wälder bis hin zum vollständigen Absterben in manchen Gebieten führte. Die LCP-Richtlinie für große Kraftwerke trat 2008 in Kraft, und ihre Auswirkung auf die SO2-Emissionen ist in der Abnahme der Emissionen zwischen 2005 und 2010 deutlich sichtbar. Länder mit hohen Emissionsfaktoren (Emissionen je eingesetzter Tonne Brennstoff) im Jahr 2005, namentlich Bulgarien, Rumänien, Spanien, Griechenland und Portugal, erzielten in dieser Zeit alle einen starken Rückgang (zwischen -92 % in Portugal und -36 % in Rumänien). In Ländern mit mittelhohen SO2-Emissionsfaktoren – wie Polen, Belgien, Irland und Italien – waren bis 2010 ebenfalls erhebliche Reduktionen möglich. Selbst bei den Spitzenreitern wie Finnland, Slowenien, Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Österreich, die bereits früher nationale Regelungen erlassen hatten, war eine weitere Abnahme zu beobachten. Da 2016 eine neue Fassung der Richtlinie zu Industrieemissionen (IED) in Kraft trat, sanken die Emissionsfaktoren zwischen 2010 und 2015 in Bulgarien, Rumänien, Estland, Griechenland, Frankreich und Italien nochmals kräftig. Neue, verbindliche und ehrgeizigere Emissionsgrenzwerte wurden 2017 im Rahmen der novellierten IED verabschiedet und treten 2021 in Kraft.

Die SOx-Gesamtemissionen sind seit 2007 um 54 %, die NOx-Emissionen um mehr als ein Drittel und die Treibhausgasemissionen der Industrie um 12 % zurückgegangen. In allen Industriesektoren wurde eine Verringerung der Emissionen der jeweils wichtigsten Schadstoffe verzeichnet. Insbesondere bei Kraftwerken im Energieversorgungssektor sind die Schadstoffemissionen seit 2007 zurückgegangen, bei SOx und PM10 um jeweils 80 % sowie bei NOx um etwa die Hälfte. Auch andere Emissionen wurden verringert, darunter Fluor (als Fluorwasserstoff) und Chlor (als Chlorwasserstoff), beides Nebenprodukte der Kohleverbrennung, Schwermetalle (Arsen, Quecksilber, Nickel und Zink) und in geringerem Maße auch Treibhausgase und Kohlenmonoxid.

Auch die wichtigsten Schadstoffe in der Schwerindustrie hängen tendenziell mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe zusammen. Große Fortschritte konnten bei Zink (um fast zwei Drittel) sowie SOx und NOx (um etwa die Hälfte) gemacht werden. Im Chemiesektor sanken sowohl die NMVOC- (im Zusammenhang mit der Verwendung von Lösungsmitteln) als auch die NOx-Emissionen erheblich, die CO2-Emissionen allerdings weniger stark. Die Verringerung der Methanemissionen aus dem Abfallwirtschaftssektor spiegelt den Rückgang der Zahl der in Betrieb befindlichen Deponien und der zu deponierenden Abfälle, sowie die Verbesserungen bei der Rückgewinnung von Methan aus diesen Deponien wider.

Schadstoffe im Wasser

Es gibt eine Vielzahl industrieller Aktivitäten, bei denen Wasser verwendet wird, z. B. zur Kühlung und zur Dampferzeugung in Kraftwerken, in Wäschern zur Entfernung von Schadstoffen aus Verbrennungsgasen oder bei der Reinigung von Produktionsanlagen zwischen den Chargen. In vielen Fällen führt dies zu Abwasser, das später, oft nach einer Behandlung, in die Umwelt zurückgeführt wird. Neuere nationale Bewertungen legen nahe, dass 18 % der Oberflächenwasserkörper in den EU-28-Ländern von der chemischen Verschmutzung aus Punktquellen betroffen sind, dafür sind bei ca. zwei Drittel der Gewässer chemische Verunreinigungen, die aus kommunalen Kläranlagen stammen, verantwortlich, das restliche Drittel wird durch industrielle Verschmutzung geschädigt.

Das Nichterreichen eines guten chemischen Zustands ist jedoch hauptsächlich auf Altlasten mit Quecksilber, polybromierten Diphenylethern und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen zurückzuführen. Bei den Oberflächengewässern stehen diese Stoffe weitgehend im Zusammenhang mit früheren industriellen Aktivitäten (z. B. atmosphärische Ablagerung von Quecksilber), und beim Grundwasser stehen sie im Zusammenhang mit früheren Bergbauaktivitäten und dem Versickern aus verunreinigten Industriestandorten.

Trends bei den Emissionen von Industriegewässern

Anorganische Stoffe (insbesondere Stickstoff und Phosphor) machen den größten Teil der gesamten direkten und indirekten Freisetzung von Schadstoffen in Oberflächengewässer aus (etwa 98 % der Gesamtmasse). Für mehr als die Hälfte der anorganischen Schadstoffbelastungen ist die chemische Produktion verantwortlich, gefolgt von den Kläranlagen und der Rohstoffgewinnung (jeweils etwa 20 % der Gesamtmasse).

Größere Schwermetallfreisetzungen können weitgehend einzelnen Industrieanlagen zugeordnet werden, auch wenn sie oft erst indirekt nach der Einleitung in kommunale Kläranlagen in die Flüsse gelangen. Die Tatsache, dass ein großer Aluminiumproduktionsstandort in Frankreich im Jahr 2014 eine Emissionsminderungstechnologie installiert hat, spiegelt sich deutlich im allgemeinen Abwärtstrend der Freisetzung von Schwermetallen wider. Bei den rohstoffgewinnenden Betrieben dominiert ein einzelnes polnischen Bergwerk den Trend.  Zu den nicht-industriellen Quellen von Schwermetallen im Wasser, die zur Behandlung in Kläranlagen geschickt werden können, gehören Straßenabwässer sowie häusliche Abwässer.

Eine unbekannte Menge neuer Schadstoffe wird derzeit nicht gemessen und daher auch nicht gemeldet. Dazu gehören einige der Schadstoffe, die derzeit im Wasserrecht als prioritäre gefährliche Stoffe behandelt werden, wie Dicofol (ein mit DDT verwandtes Pestizid), Quinoxyfen (ein Fungizid) und Hexabromocyclododecan (HBCDD, ein bromiertes Flammschutzmittel). Diese Substanzen können durch Kläranlagen in europäische Gewässer freigesetzt werden.

Bis 2030 wird zumindest im Bereich der Luftschadstoffe mit weiteren Fortschritten gerechnet, da die Umsetzung der IED 2019 eine starke Verringerung der Emissionen notwendig macht. Die „best available technology“ (BAT, beste verfügbare Technologie) Regelung stellt sicher, dass alle Anlagen Zug um Zug nachgerüstet werden müssen.

Um weitere Verbesserungen insbesondere im Wasserbereich zu erzielen, ist eine umfassende Erfassung alter und neuer Schadstoffe dringend notwendig. Das Problem der Altlasten aus Schwermetallen wie Quecksilber oder halogenierten organischen Substanzen wie Dioxin wird uns allerdings noch lange begleiten.

 

 

Exkurs: Das Konzept und die Entwicklung der besten verfügbaren Techniken

Das Konzept der besten verfügbaren Techniken (BVT) geht auf die Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IPPCD, 96/61/EG, die 2010 durch die Richtlinie über Industrieemissionen (IED) ersetzt wurde) zurück. Dieses Konzept sah vor, dass Industrieanlagen mit integrierten Genehmigungen ausgestattet sein müssen, die Emissionen in Luft, Wasser und Boden, Rohstoffverbrauch, Energieeffizienz, Standortsanierung, Lärm und Unfallverhütung berücksichtigen. Zur Unterstützung der Behörden in den Mitgliedstaaten, die für die Erteilung von Genehmigungen zuständig sind, richtete die Europäische Kommission das Europäische Büro für die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung ein, dessen Aufgabe es ist, den Informationsaustausch über BVT zu steuern. Dieses Informationsaustauschsystem besteht bis heute. Das Büro veröffentlicht umfassende Referenzdokumente (bekannt als BVT-Referenzdokumente oder BREFs) für spezifische industrielle Aktivitäten. Sie enthalten Informationen über die Techniken und Verfahren, die in einem bestimmten Industriesektor in der EU eingesetzt werden, über aktuelle Trends bei Emissionen und Verbrauch (z. B. Wasser, Energie, Materialien) und über Techniken, die bei der Festlegung der BVT zu berücksichtigen sind, sowie über neu entstehende Techniken

Bis 2010, in der die IPPCD in Kraft war, konnten die Behörden der Mitgliedstaaten Emissionsgrenzwerte und andere Genehmigungsauflagen festlegen, die von den Empfehlungen in diesen Dokumenten abwichen. Diese Flexibilität führte zu bemerkenswerten Unterschieden bei den Emissionsgrenzwerten für vergleichbare industrielle Prozesse in der EU-28 (Entec, 2011).

Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten und die Emissionsgrenzwerte für die gesamte europäische Industrie zu harmonisieren, wird seit 2010 mit Hilfe der IED das Büro seither aufgefordert, Schlussfolgerungen für jedes dieser Referenzdokumente (die BVT-Schlussfolgerungen) zu erarbeiten. Diese Schlussfolgerungen enthalten verschiedene Elemente, die von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen, wie z.B. Emissionsgrenzwerte und andere Bestimmungen. Dies stellt eine der wichtigsten Verbesserungen dar, die durch das IED eingeführt wurden, um die Akzeptanz sauberer und umweltverträglicher Technologien und Verfahren zu erhöhen. Die BVT-Schlussfolgerungen enthalten jedoch auch Richtwerte für die erwartete Umweltleistung, z. B. das Verhältnis zwischen Prozessinputs und -outputs oder das Niveau des erwarteten Abfallaufkommens bei bestimmten Prozessen. Eine aktuelle Liste der Dokumente mit den Emissionsgrenzwerten und anderen Referenzwerten für eine Vielzahl unterschiedlicher industrieller Tätigkeiten ist auf der Website der Gemeinsamen Forschungsstelle zu finden.

Einige EUA-33-Länder gehen noch weiter und entwickeln länderspezifische BVT. Dies ist der Fall in Estland, wo eine BVT für die Ölschieferindustrie entwickelt wurde, um einen der Hauptemissionssektoren des Landes zu berücksichtigen.

 

Bild:Von Gewetz, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=162571

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