WNISR 2021: Atomkraft ist von Gestern

Der World Nuclear Industry Status Report 2021 verdeutlicht, dass Atomkraft entgegen der medialen Wirbels immer noch keine Zukunft hat. Der Marktanteil der Atomkraft sinkt kontinuierlich und beläuft sich weltweit auf nur noch zehn Prozent der Stromerzeugung. Erneuerbare Energien erzeugen mittlerweile mehr Strom als Atomkraftwerke, sogar, wenn man Wasserkraftwerke nicht mit einberechnet.

 

Atomkraft ist keine Lösung für die Klimakrise und verbraucht Geld und Ressourcen für kostengünstige, klimafreundliche und umweltschonende Alternativen. Solar- und Windenergie haben die Atomkraft längst überholt.

 

Atomkraft ist keine Technologie der Zukunft, sondern der Vergangenheit. Obwohl es längst kostengünstige, klimafreundliche und umweltschonende Alternativen gibt, halten einige europäische Staaten an der Nukleartechnologie fest und gefährden damit nicht nur ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die der europäischen Nachbarländer. Letztes Jahr haben Erneuerbare Energien (inklusive Wasserkraft) 35 Prozent des Stroms in der EU erzeugt, während es bei der Atomkraft nur 25,5 Prozent waren.

 

Unter dem Vorwand der „technologischen Neutralität“ droht weiterhin die Klassifizierung von Atomstrom als nachhaltige Energiequelle. Nach den neuen EU-Finanzierungsregeln, der sogenannten Taxonomie, dürfen EU-Investitionen nur noch in nachhaltige Technologien fließen, die keinen signifikanten Schaden anrichten können. Weil mehrere EU-Mitgliedstaaten Druck ausübten, Atomkraft als nachhaltig und sicher zu klassifizieren, wurde die Entscheidung an Expertengruppen abgegeben.  Die „Gemeinsame Forschungsstelle“ (JRC), eine der Expertengruppen der Europäischen Kommission, stufte Atomkraft daraufhin als „nicht schmutziger oder umweltschädlicher als andere Technologien“ ein. Hierbei muss erwähnt werden, dass das JRC das Nachfolgegremium mehrerer Nuklearinstitute ist und der Atomwirtschaft traditionell eng verbunden ist. Der Einschätzung des JRC haben mittlerweile mehrere Expert*innen widersprochen, unter anderem das Österreichische Ökoinstitut und das Deutsche Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung. Auch die Expertengruppe für Gesundheit, Umwelt und Risikovorsorge der Europäischen Kommission kritisierte, dass die Ergebnisse des Joint Research Council auf oberflächlichen Annahmen beruhen und sogar die eigentliche Fragestellung ignoriert wurde. Denn der JRC hat einzelne Aspekte der Atomenergie selektiv mit den Auswirkungen anderer Formen der Stromerzeugung verglichen, statt, wie gefordert, zu beurteilen, ob die Technologie als Ganzes dem Grundsatz, „keinen signifikanten Schaden“ anzurichten, genügt.

 

Sollte Atomkraft im Herbst 2021 tatsächlich als grüne Technologie eingestuft werden, drohen in Zukunft Milliarden Euro aus dem Europäischen Grünen Deal in Atomkraftwerke zu fließen. Gelder, die dann für den Ausbau Erneuerbarer Energien, den Umbau unserer Wirtschaft und die Forschung fehlen werden. Dabei darf der Europäische Grüne Deal nicht als Finanzspritze für marode, unwirtschaftliche Atomkraftwerke missbraucht werden, sondern muss die Weichen für eine nachhaltige und sichere Zukunft für nachfolgende Generationen legen. Die Klimakrise erfordert schnellstmögliches Handeln. Jeder Cent für die Atomkraft ist ein Cent weniger für wirklich nachhaltige Technologien.

 

Atomkraft ist extrem teuer, nicht versicherbar, die Schäden von Unfällen gigantisch und wir wissen noch immer nicht, wo wir den Müll für Millionen Jahre einlagern können.

 

Selbst, wenn Atomstrom sauber und nachhaltig wäre, dauert es viel zu lange, um Atomkraftwerke zu bauen. Durchschnittlich braucht es rund zehn Jahre pro AKW. Das ist Zeit, die wir in der Klimakrise nicht haben. Atomkraft ist nicht nur keine Lösung gegen die Erderwärmung, sondern wird durch die Klimakrise anfälliger. Waldbrände, Dürren und Überflutungen werden in Zukunft weiter zunehmen und auch die Sicherheit europäischer Kraftwerke bedrohen. Jedes Atomkraftwerk in Europa ist eine Bedrohung für den gesamten Kontinent. Jeder Cent für die Atomkraft ist ein Cent, der dem Ausbau Erneuerbarer Energien fehlt.

 

Deutschland muss sich für einen Europäischen Atomausstieg einsetzen, denn die Folgen nuklearer Katastrophen kennen keine Grenzen.

 

Während Deutschland bis Ende 2022 komplett aus der Kernenergie aussteigen wird, halten andere europäische Staaten weiterhin an der Atomkraft fest oder planen sogar den Atomeinstieg. Frankreich macht Ernst mit der Laufzeitverlängerung seiner 900 Megawatt Atomreaktoren, immerhin 32 seiner insgesamt 58 AKWs. Und das obwohl sie ihre maximale Laufzeit von 40 Jahren erreicht haben und ihre Sicherheitskonzepte noch aus den 1960er und 1970er Jahren stammen. Die Reaktoren sind auch gar nicht nachrüstbar, um heutige Sicherheitsstandards zu erfüllen. Trotzdem sollen sie noch weitere 20 Jahre am Netz bleiben und sogenannten „gelben Wasserstoff“ produzieren. Polen und die Slowakei planen den Einstieg in die Atomkraft und auch Schweden und Finnland liebäugeln mit sogenannten “Kleinen Modularen Reaktoren” als vermeintlich klimapolitische Lösung. Diese werden von etlichen finanzstarken Akteuren als neue Heilsbringer propagiert – dabei existieren sie bislang nur auf dem Papier. Sie sollen wahre Wunder vollbringen: inhärent sicher, schnell und einfach zu bauen, billig, und Atommüll verbrennen sollen sie auch noch. Da fragt man sich unwillkürlich, warum dieses seit den 1950er Jahren verfolgte Konzept noch nirgendwo umgesetzt wurde. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hat in seinem Gutachten vom März 2021 deutlich gemacht, wo die Pferdefüße liegen. Es wäre unverantwortlich, entgegen dieser klaren Stellungnahme auf eine weitere unsichere Technologie zu setzen.