Europäisches Parlament fordert effiziente Maßnahmen gegen Arzneimittelrückstände in der Umwelt

Seit viele Jahren gelangen Arzneimittel in die Umwelt – mit kaum abschätzbaren Folgen. Die Abwässer von Krankenhäusern enthalten Schmerzmittel, Narkosemittel, Röntgenkontraststoffe und vieles mehr; eine eigene Abwasservorbehandlung haben die wenigsten Hospitäler. Aber auch von Betrieben mit Massentierhaltung werden Antibiotika in das Abwasser und – mit der Gülle – auf die Äcker eingebracht. Das führt zur Bildung von multiresistenten Erregern (MRE), die eine wachsende Gefahr für Mensch und Tier darstellen. Noch viel zu wenig wissen wir über hormonell aktive Subtanzen, wie sie in vielen Kunststoffprodukten enthalten sind: sie bringen den Hormonhaushalt durcheinander, können Stoffwechselerkrankungen hervorrufen oder die Fortpflanzung stören. Kläranlagen sind zum größten Teil nicht in der Lage, Arzneimittel und ihre Abbauprodukte herauszufiltern. Dadurch gelangen diese in Gewässer, reichern sich dort an und werden oft nur langsam abgebaut. Über die Nahrungskette oder das Trinkwasser gelangen solche Substanzen dann auf unseren Tisch. Langzeitstudien zu den Einflüssen von Arzneimittelrückstanden in der Umwelt sollen zeigen, wie groß der Einfluss auf unsere Gesundheit ist und wie man diese Probleme eindämmen kann.

Die Europäische Kommission hat das Problem durch Arzneimittel in der Umwelt 2008 anerkannt und seitdem zwei bedenkliche Pharmazeutika – 17 alpha-ethinylestradiol („Antibabypille“) und Diclofenac (gegen Rheuma, Entzündungen und Schmerzen) in die Wasserrahmenrichtlinie aufgenommen. Diese beiden Wirkstoffe müssen also in den Standard-Messprogrammen der Überwachungsbehörden enthalten sein. Zudem sollte ein „Strategischer Ansatz für Arzneimittel in der Umwelt“ verabschiedet werden. Nach mehrjähriger Verzögerung wurde dieser im März 2019 endlich von der Europäischen Kommission veröffentlicht.

Die Europäische Kommission schlug 28 Verpflichtungen vor, um Arzneimittelrückständen in der Umwelt vorzubeugen. Unter anderem soll ein Bewusstsein für einen bedachten Einsatz von Pharmazeutika geschaffen und die Entwicklung nachhaltiger Pharmazeutika unterstützt werden. Aber auch ein besseres Abfallmanagement sowie die Einschätzung und Überwachung der Umweltfolgen sollten verbessert werden.

Doch die meisten der von der Kommission vorgeschlagenen Verpflichtungen waren schwammig formuliert. Zudem wurde keine einzige bindende Maßnahme vorgeschlagen, obwohl in einer bereits 2013 für die Kommission angefertigten Studie eine ganze Reihe möglicher gesetzlicher Maßnahmen analysiert und bewertet worden waren. Deshalb hat der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments, auf maßgeblichen Druck der Fraktion Die Grünen/EFA, den Kommissionsvorschlag um weitere Punkte erweitert.

Die wichtigsten sind:

  • Einflüsse auf die Umwelt in die Gefahren/Nutzen Einschätzung für die Zulassung neuer Wirkstoffe einbeziehen
  • Umweltrisikoeinschätzung für alle Humanarzneimittel
  • Aktualisierung der Voraussetzungen für Umweltrisikoeinschätzungen
  • Erweiterung des GMP-Regelwerks (Qualitätsvorgaben für die Produktion) um Umweltauflagen, die damit auch in außereuropäischen Ländern einzuhalten wären

Fast einstimmig, mit 671 Ja-Stimmen, 15 Gegenstimmen und 10 Enthaltungen, hat das Europäische Parlament in seiner Plenarsitzung im September 2020 den Resolutionstext angenommen. Das ist ein wichtiger erster Schritt hin zu mehr Umwelt- und Gesundheitsschutz in Europa!

Hier geht es zum „Antrag zu einem strategischen Ansatz für Arzneimittel in der Umwelt“:

https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/B-9-2020-0242_DE.pdf