Faktencheck: Gesetz zur Rettung der Natur

Wie nach der EVP-Parteitagsresolution gegen den Green Deal erwartet, hat sich die Fraktion von CDU/CSU und anderen Konservativen im Europäischen Parlament aus den parlamentarischen Verhandlungen zum neuen EU-Gesetz zur Rettung der Natur („EU Nature Restoration Law“) mit hanebüchenen Argumenten verabschiedet. 

Nach rund einem Jahr intensiver fraktionsübergreifender Verhandlungen fällt der EVP am letzten Verhandlungstag plötzlich ein, dass sie das Gesetz zur Rettung der Natur eigentlich von Anfang an nicht wollte. Statt konstruktiver Arbeit an Kompromissen gibt es auf Weisung von EPP-Chef Manfred Weber ab jetzt nur noch ein pauschales „Nein!“ zu allen Green Deal Gesetzen auf der EVP-Abschussliste.

Die Konservativen stellen Parteipolitik und interne Machtkämpfe nicht nur über das Allgemeinwohl – über Nahrungsmittelsicherheit, Klima- und Naturschutz sowie über die Gesundheit der Bürger*innen – sie sind sich auch nicht dafür zu schade, dafür mit Ultrarechten und Populisten eine Koalition einzugehen. 

Zeit für Faktencheck der EVP-Argumente gegen das Gesetz zur Rettung der Natur!

EVP-Behauptungen: „Das Gesetz zur Renaturierung der Natur wird in seiner jetzigen Form zu einer geringeren Nahrungsmittelproduktion in Europa führen. Das Gesetz zur Renaturierung der Natur wird die Nahrungsmittelpreise noch weiter in die Höhe treiben.“

Falsch! 

Die Wiederherstellung der Natur bedeutet auch die Wiederherstellung einer produktiven und zukunftsfähigen Land-, Wald-, Forst- und Fischereiwirtschaft! Wenn Böden durch die Klimakrise, Verschmutzung und das Artensterben weiter degradieren, werden Lebensmittel erst recht teurer werden.

Die größten Bedrohungen für unsere Ernährungssicherheit sind der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt. Bodenverarmung, Verlust bestäubender Insekten, Wüstenbildung oder Dürre machen unseren Landwirt*innen bereits heute zu schaffen. Gesunde Böden, sauberes Wasser und gesunde Luft sichern auch die Nahrungsmittelproduktion. Wissenschaftliche Untersuchungen haben nachgewiesen, dass der Klimawandel und die mangelnde Widerstandsfähigkeit unseres Lebensmittelsystems die Hauptursache für die Stagnation und den Rückgang der landwirtschaftlichen Erträge sind. Gesunde Böden wiederum schützen vor Dürrefolgen und speichern Wasser.

Jeder in Renaturierungsmaßnahmen investierte Euro führt zu einer wirtschaftlichen Wertsteigerung von 8 bis 38 Euro, indem zum Beispiel Ernteausfälle durch Extremwetter verhindert werden oder Erträge durch gesündere Böden gesteigert werden. In der Fischerei führen Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen zu mehr Rendite, weil die Fangmengen rund um die Schutzgebiete gesteigert werden können.

Naturwiederherstellung ist nicht dasselbe wie Naturschutz und führt nicht automatisch und pauschal zu mehr Schutzgebieten zu Lasten der Landwirtschaft. Landwirtschaftlich genutzte Gebiete müssen durch das Gesetz zur Rettung der Natur nicht aufgegeben werden. 

Das Gesetz zur Rettung der Natur beinhaltet weder eine Verpflichtung zur Ausweitung der Schutzgebiete noch zum Einschränken der Wirtschaftstätigkeit. Das Gesetz soll die biologische Vielfalt in bestehenden Schutzgebieten verbessern. 

Die Maßnahmen zur Wiederherstellung degradierter Lebensräume sind vielfältig und hängen von den jeweiligen Lebensraumtypen ab. Neben passiven Maßnahmen wie der klassischen Erhaltung von Lebensräumen können auch aktive Maßnahmen zum Zug kommen, beispielsweise die Wiedervernässung von Mooren, der Rückbau nicht genutzter Staudämme, die Wiederanbindung künstlich getrennter Flüsse, die Vergrößerung der landwirtschaftlichen Nutzfläche im ökologischen Landbau, die Verringerung des Pestizideinsatzes, die Anlage von Seegraswiesen oder die Dachbegrünung in städtischen Gebieten.

Dass zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen durch das Gesetz zur Rettung der Natur stillgelegt werden sollen ist falsch! Es geht um zehn Prozent „Landschaftselemente“ in der Agrarlandschaft, wie Hecken, Bäume, Tümpel oder Mauern, die als Ziel in der EU-Biodiversitätsstrategie bereits verankert sind und von denen vier Prozent für die GAP verpflichtend sind.

EVP-Behauptung: „Das Gesetz zur Renaturierung der Natur wird Infrastrukturprojekte blockieren, die für die Bekämpfung des Klimawandels entscheidend sind.“

Falsch!

Ohne Maßnahmen zur Wiederherstellung zerstörter Lebensräume wird die EU ihre Klimaziele verfehlen. Klima- und Artenschutz müssen Hand in Hand gehen. Das Gesetz zur Rettung der Natur wird weder zum Hindernis für den Ausbau und Einsatz Erneuerbarer Energien noch für den Wohnungsbau sein. 

Der Kompromiss im Verhandlungstext zum Gesetz legt fest, dass Mitgliedstaaten bei der Wiederherstellung von Lebensräumen darauf achten müssen, dass Synergieeffekte entstehen und die Renaturierungspläne nicht mit den Ausbauzielen für Erneuerbare im Rahmen von RePowerEU konkurrieren. Zudem fordern wir, dass die EU-Kommission nach acht Jahren die Auswirkungen auf die Erzeugung erneuerbarer Energien neu bewerten soll.   

EVP-Behauptung: „Kommission hat keine Folgenabschätzung durchgeführt“

Falsch!

Wie bei allen Gesetzgebungsprozessen, hat die EU-Kommission eine umfassende, mehr als 600 Seiten starke Folgenabschätzung durchgeführt. Die EVP-Forderung, dass eine detaillierte, auf die Regionen zugeschnittene Folgenabschätzung erstellt werden soll, ist gar nicht erfüllbar, da ja die Mitgliedstaaten selbst in ihren Renaturierungsplänen festlegen werden, welche Maßnahmen sie wo ergreifen..

Eine neue Folgenabschätzung würde des Weiteren auch die EU-Verpflichtungen von der UN-Biodiversitätskonferenz von Montreal in Betracht nehmen müssen, die noch ambitioniertere Wiederherstellungsmaßnahmen erfordern, als sie im aktuellen Kommissionsvorschlag vorliegen. Die EU hat sich auf internationaler Ebene dafür eingesetzt und sich erst vor einem halben Jahr dazu verpflichtet, mindestens 30 Prozent degradierter Ökosysteme bis 2030 wiederherzustellen.