Freiheit in den Planetaren Grenzen

„Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.“ Rosa Luxemburg. Aber Freiheit ist mehr als Abwesenheit von Diktatur und Unterdrückung; Freiheit ist auch Vorhandensein von Lebensperspektiven.

Skurrilerweise wurde (und wird) uns Grünen vorgeworfen, mit dem Verbieten oder Verteuern umweltschädlicher oder wenig nachhaltiger Produkte die Menschen unfrei machen zu wollen. Wir waren nicht selbstbewusst genug, um zu entgegnen, dass es in unserer Gesellschaft viele sehr gut begründete Verbote gibt: es ist beispielsweise verboten, Menschen zu töten oder zu berauben, mit Tempo 160 durch Innenstädte zu fahren, Drogen an Kinder zu verkaufen und vieles mehr. Gäbe es diese Verbote nicht, wären viele Menschen zumindest in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt; wahrscheinlich würde sich in einer Gesellschaft des Faustrechts niemand mehr aus dem Haus trauen.

Wir sind es also gewohnt, dass der Rechtsstaat dem menschlichen Handeln Grenzen setzt. Was uns aber fehlt, ist das Bewusstsein, dass dem Handeln der Spezies Mensch (planetare Belastungs-)Grenzen gesetzt sind. Das Konzept der Planetaren Grenzen wurde im Jahr 2009 von einem 28-köpfigen Wissenschaftlerteam entwickelt und im Fachblatt Nature publiziert.

Es geht von neun grundlegenden ökologischen Belastungsgrenzen aus, deren Überschreitung katastrophale Auswirkungen auf die Biosphäre hat; vereinfacht kann man von „globalen Grenzwerten“ sprechen. An erster Stelle steht – nicht etwa der Klimawandel, sondern der Verlust der Biodiversität. Die Aussterberate ist hundertmal so hoch wie von Ökologen als „verträglich“ eingeschätzt wird. Dafür, aber auch für die Störungen des Stickstoff- und Phosphorkreislaufs (beide sind durch die flächendeckende Verwendung von Mineraldünger aus den Fugen geraten) sowie für Landnutzungsänderungen sind besonders industrielle Landwirtschaft und fleischbetonte Ernährung verantwortlich. Noch unbewertet ist der „Eintrag von Neuen Substanzen“ – bei der nächsten Überarbeitung der Studie wird wahrscheinlich ein weiterer rotes Segment aus der Grafik ragen, weil Mikroplastik im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde ist.

Was hat das alles nun mit Freiheit zu tun? Sehr viel. Mit unserer Art zu leben und zu wirtschaften, dem Ressourcenverbrauch und der Umweltverschmutzung durch die reichen Länder, schränken wir schon heute die Freiheit derer, die nicht das Glück haben, in den Industrieländern zu leben, erheblich ein. Noch viel stärker ist die Freiheit derer betroffen, die heute Kinder sind oder die noch geboren werden. Denn es ist alles andere als sicher, dass die globalen Umweltbedingungen in 50 Jahren das Überleben der Mehrzahl der Menschen auf unserem Planeten ermöglichen. Keinesfalls kann ein solches Ziel mit dem flächen-, energie- und ressourcenintensiven Lebensstil der meisten Menschen in den hoch entwickelten Ländern in Einklang gebracht werden. Freiheit als Menschenrecht ernst zu nehmen bedeutet also, unseren ökologischen Fußabdruck soweit zu verkleinern, dass die Planetaren Grenzen nicht mehr überschritten werden. Diese Aufgabe müssen wir uns als Gesellschaft stellen: Ignorieren ist keine Option.

Diesen Impulsvortrag halte ich gern bei Diskussionen über Möglichkeiten und Notwendigkeiten in der Umweltpolitik. Denn leider ist die Dramatik der Situation vielen Menschen nicht klar.

 

Foto: Erde von MoeRBLX auf Deviantart