SOER 2020 – EU- Umweltstatusbericht Kapitel 7/11 – Kreislaufwirtschaft

Deponien brauchen viel Platz und schaffen oft Konflikte auf wertvollen Naturflächen. Insbesondere Bauschutt fällt in immer größeren Mengen an, wie hier in Ludwigshafen. Die geplante Deponieerweiterung würde eine der letzten Restwaldflächen Ludwigshafens ruinieren: das Laubfroschwäldchen.

 

Kapitel Kreislaufwirtschaft

Das Ziel der EU und der Mitgliedsstaaten im Bereich Abfälle und Ressourcen besteht in der Erhöhung der Ressourceneffizienz. Dazu ist es notwendig, Müllvermeidung und Müllmanagement zu verbessern, um zu einer kohlenstoffarmen, zirkulären Wirtschaft und Klimaneutralität zu gelangen.

Leider gibt es bislang keine quantitativen Ziele für die Ressourcennutzung und die Entwicklung der Ressourcenproduktivität. Nur wenige Mitgliedsstaaten sind hier aktiv geworden. Die EU-Gesetzgebung enthält zwar mehr als 30 bindende Ziele für das Müllmanagement, aber kein einziges hinsichtlich der Müllvermeidung. Dabei muss der Weg zu einer Kreislaufwirtschaft noch vor Aufnahme der Produktion von Waren beginnen. Einer der wichtigsten Faktoren ist das Design: ein guter Entwurf ermöglicht nicht nur hohe Bestandteile recycelter Materialien sondern stellt auch sicher, dass das Produkt repariert werden kann. Nach Ende der Nutzungszeit sollte eine vollständige Zerlegung und Wiederverwendung von Teilen oder Materialien möglich sein.

Die Wiederverwendungsrate stieg europaweit im Zeitraum 2004-2016 langsam aber stetig von 8 % auf 12 % an. Metalle und Erze werden insgesamt am häufigsten wiederverwendet, gefolgt von nichtmetallischen Mineralien. Da die besten Erzlagerstätten bereits ausgebeutet wurden, steigt die Wichtigkeit des Recyclings. Bei Metallen werden Blei (75 %) und Silber (55 %) am häufigsten wiederverwendet, bei den sogenannten „kritischen“ Metallen Vanadium (44 %), Wolfram (42 %) und Cobalt (35 %). Dies liegt unter anderem daran, dass diese Metalle in relativ großen Mengen in gut zu sammelnden Produkten verbaut werden. Zudem schreiben die Abfalllverordnungen einiger Mitgliedsstaaten die Extraktion bestimmter Komponenten vor. Schlechter sieht es bei den sogenannten Seltenen Erden aus, die per se nicht selten sind (Cer und Neodym kommen in der Erdkruste häufiger vor als Blei oder Kupfer!), aber meist nicht als gehaltvolle Erze, sondern nur in sehr geringen Konzentrationen vorliegen.  Bei den Seltenerdmetallen reichen die Wiederverwendungsraten nicht im Geringsten aus, um die Nachfrage zu decken. Das hängt auch mit den sehr geringen Mengen dieser Metalle im Endprodukt zusammen: die chemische Aufspaltung zur Wiedergewinnung ist sehr aufwändig.

Viele Faktoren limitieren das Recyclingpotential einzelner Produkte:

  • Materialverluste während der Nutzungsphase des Produkts
  • Materialverlust durch unsachgemäße Sammlung
  • Sinkende Materialqualität bei Sammlung und Verarbeitung (Downcycling)
  • Aufbau von Lagern
  • Produktdesign, das Recycling verhindert
  • Fehlende Recyclinginfrastruktur
  • Kontaminierung mit gefährlichen Substanzen
  • Ökonomische Faktoren (billige Rohmaterialien)

Ressourceneffizienz

Der Ressourcenverbrauch Europas wird mit Hilfe des inländischen Materialverbrauchs (domestic material consumption DMC) gemessen. Die gesamte Ressourcennutzung der EU ging zwischen 2000 und 2017 um 9 % von 7,6 Billionen Tonnen auf 6,8 Billionen Tonnen zurück. Die Hauptursachen waren allerdings nicht ein verbesserte Ressourceneffizienz, sondern die Finanzkrise 2008 mit darauf folgender verringerter Bauaktivität sowie der fortlaufende Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft.

Die Ressourcenproduktivität – das Verhältnis zwischen Bruttoinlandsprodukt und innerstaatlichem Materialverbrauch – ist in der gesamten EU zwischen 2000 und 2014 um 40 % angestiegen, allerdings mit großen Unterschieden zwischen der Mitgliedsstaaten. Einem Anstieg um 143 % in Irland steht ein Rückgang um 18 % in Rumänien gegenüber. Die Schweiz, die Niederlande, Großbritannien, Luxemburg und Italien stehen regelmäßig an der Spitze der Ressourcenproduktivätsrankings in Europa, während Bulgarien, Rumänien, Estland, Polen und Litauen am unteren Ende zu finden sind. Diese Unterschiede liegen in den unterschiedlichen ökonomischen Strukturen der Mitgliedsländer begründet. Beispielsweise spielt der Bergbausektor in Bulgarien, Rumänien, Estland und Polen eine große Rolle. In diesen Ländern ist die Ressourceneffizienz daher naturgemäß schlecht; entsprechend klafft die Lücke zwischen ressourcenintensiven und ressourceneffizienten Volkswirtschaften immer weiter auseinander. Außerdem verursacht der Ersatz von heimischen Ressourcen durch Importe einen künstlichen Anstieg in der Ressourcenproduktivität der importierenden Länder.

Müllvermeidung

Die gesamte Abfallmenge innerhalb der EU ist seit 2010 angestiegen. Dies liegt vor allem am Sekundärmüll aus Müllverbrennung und Müllsortierung. Die Entwicklungen beim Primärmüll sind bei 1,8 Tonnen pro Einwohner jährlich stabil. Haushaltsabfälle, die 10 % des gesamten Mülls ausmachen, gingen zwischen 2007 und 2013 zurück, steigen seitdem aber europaweit wieder an. Für den Zeitraum von 2015 – 2035 wird ein Anstieg der Haushaltsabfälle um 2 % prognostiziert.

Abfallmanagement

Das Abfallmanagement innerhalb der EU entwickelt sich –  wenn auch langsam. 2016 wurden 53,7 % aller Abfälle (ohne mineralische Abfälle) recycelt, 23,5 % deponiert, und 20,5 % verbrannt. Verfüllungen und andere Verwendungen machen den Rest aus. Obwohl die Müllhierachie Recycling über Verbrennung stellt, steigen die Zahlen bei beiden Müllbehandlungsmethoden seit 2010 um 2 %, bei der Deponierung sogar um 4 % an.

Fast alle Mitgliedsstaaten haben das Recycling bei Haushaltsabfällen seit 2004 verbessert. Allerdings gibt es noch immer große Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten. Als besonders wirksam haben sich Verbote oder Einschränkungen der Deponierung und Vorgaben zur Mülltrennung erwiesen. Deponierungs- und Verbrennungsabgaben sowie Müllgebühren können helfen, Mülltrennung und Recycling zu finanzieren. Bei vollständiger Umsetzung der Ziele der EU-Abfallrichtlinie kann ein Anstieg der Recyclingquote um 26% bis 2035 erwartet werden.

Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung

Verschiedene Länder und Regionen haben Strategien und Aktionspläne zur Entwicklung der Kreislaufwirtschaft erstellt. Bis Frühjahr 2019 waren das Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal, Slowenien, Schottland und das Vereinigte Königreich.  Der größte Treiber bei den Veränderungen von Ressourcennutzung war in den vergangenen Jahren allerdings der makroökonomische Wandel. Die häufigsten politischen Maßnahmen sind allerdings eher schwach: nur durch Datensammlung und Aufmerksamkeitssteigerung kann das Problem nicht wirksam angegangen werden. Das allgemeine Ziel „Wirtschaftswachstum“ steht dabei im Konflikt mit dem Anspruch der Müllvermeidung. Nur durch strengere Maßnahmen und gesetzliche Vorgaben für weniger ressourcenverbrauchende Wirtschaftsmodelle können längere Produkt- und Materialnutzungszeiten erreicht werden. Dazu muss der gesamte Lebenszyklus eines Produkts adressiert werden. Zudem werden Abfallmanagementziele rein quantitativ berechnet, während in der Kreislaufwirtschaft die Qualität des Sekundärmülls die entscheidende Rolle spielt.

Vorteile eines Wandels hin zur Kreislaufwirtschaft

Der Einsatz von Recyclingmaterialien führt in den allermeisten Fällen zu mehr Umweltfreundlichkeit und hat Vorteile für den Abfallsektor selbst. Beispielsweise hat das kommunale Abfallmanagement mehr Klimagasemissionen vermieden, als durch Sammlung, Sortierung und Entsorgung emittiert wurden. Es ist zu erwarten, dass dieser Überschuss im Zeitraum 2015-2035 stetig steigt.

Insgesamt ist allerdings sowohl innerhalb der EU- als auch bei nationaler Gesetzgebung mehr Kohärenz notwendig. Das betrifft Regelungen zu Abfallmanagement, Produktdesign und Chemikalieneinsatz.

Foto: Von Immanuel Giel, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=52937199

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