Tierhaltung – der Preis des billigen Fleischs

Wer im Supermarkt Fleisch in den Einkaufswagen legt, findet auf der Verpackung meist romantische Bilder kleiner Bauernhöfe mit freilaufenden Hühnern und sich suhlenden Schweinen. Eigentlich ist klar, dass diese Idylle nichts mit einer Realität zu tun haben kann, in der Fleisch für 3,99 € pro Kilogramm angeboten wird. Dieser Dumpingpreis ist nur erreichbar, wenn Tierwohl, Umweltschutz und faire Löhne keine Rolle spielen.

Nicht nur hierzulande werden die Kosten der Intensivtierhaltung auf die Allgemeinheit, insbesondere auf kommende Generationen verschoben, dazu unten mehr. Nein, unser exorbitanter Fleischkonsum sorgt auch dafür, dass in Brasilien Regenwald gerodet und in Paraguay Kleinbauern von ihrem Land vertrieben werden, um Soja für die Futterspender europäischer Riesenställe zu produzieren. Für Klimaschutz, Artenvielfalt und Menschenrechte gleichermaßen katastrophal.

Gülle

Bei der Haltung von 10.000 Schweinen fällt so viel Gülle an wie bei einer Stadt mit 18.000 Einwohnern. Aus Wasserschutzgründen darf Gülle nicht in unbegrenzten Mengen auf Äcker ausgebracht werden. Ein Großteil der Gülle muss also unter hohem Transportaufwand in andere Teile des Landes gebracht oder sogar exportiert werden. Dabei hat Deutschland noch nicht einmal die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um Bäche und Flüsse sowie das Grundwasser vor Nitrateintrag durch Gülle zu schützen (auch dies ist eins der EU-Vertragsverletzungsverfahren, das gegen Deutschland im Umweltbereich anhängig ist) – während die Niederlande die Zahl der gehaltenen Tiere um ein Viertel reduziert haben.

Nur 30 % der in Deutschland erzeugten Gülle werden in Biogasanlagen genutzt, um Energie und Wärme zu erzeugen – welche Verschwendung. Zeit, dass dieses Potential endlich genutzt wird! Allerdings wird der Stickstoffanteil durch diese Vorgehensweise natürlich nicht reduziert, sodass die Überdüngung ein Problem bleibt.

Krankheiten und Verhaltensauffälligkeiten

Die meisten Tiere werden gewaltsam den Haltungsformen angepasst: Hörner, Ringelschwänze, Schnäbel und z. T. auch Zähne werden ohne Betäubung gekürzt/abgetrennt. Denn durch die intensive Haltung kommt es häufig zu Verletzungen, weil die Tiere keine Rückzugsräume und keine Beschäftigungsmöglichkeiten haben.

Infektionskrankheiten können sich durch die Vielzahl von Individuen auf engem Raum schnell ausbreiten. In Deutschland ist die präventive Gabe von Antibiotika zwar mittlerweile verboten, die Kontrollen sind allerdings völlig unzureichend. In China werden sogar Reserveantibiotika in großen Mengen in der Intensivtierhaltung eingesetzt. Sobald eine Erkrankung festgestellt wurde, ist die Gabe von Antibiotika aber auch in Deutschland erlaubt. Und da bei den hohen Besatzdichten der gesamte Bestand gefährdet ist, wird das Antibiotikum gleich mit dem Futter an alle Tiere verabreicht. Damit steigt die Gefahr von multiresistenten Erregern und die Aufnahme von Keimen und Antibiotikaresten über das Fleisch.

Durch die Enge, die schlechte Luft (bei Spaltenbodenhaltung atmen bspw. empfindliche Schweinenasen Tag und Nacht ätzenden Ammoniak ein), wenig Bewegung, hohe Luftfeuchte usw. kommt es zu sogenannten Produktionskrankheiten; dass es dieses Wort in der Veterinärmedizin gibt, spricht für sich. Lungenentzündungen nach dem Transport, chronische Bronchitis, Entzündungen von Krallen, Hufen bzw. Pfoten, offene Wunden, Gelenkerkrankungen, Drucknekrosen – die Liste ließe sich lange fortsetzen. Wer die Beschäftigung mit dem Thema aushält, findet auf der Seite der Albert-Schweitzer-Stiftung umfangreiche Informationen: https://albert-schweitzer-stiftung.de/massentierhaltung

Probleme durch Züchtung

Seit Jahrhunderten züchten wir Menschen Tiere nach unseren Bedürfnissen: Sie sollen friedlich sein, schnell Gewicht zulegen oder viel Milch geben. Die in der intensiven Tierhaltung genutzte Rassen sind mittlerweile so überzüchtet, dass sie ihr eigenes Gewicht nicht mehr tragen können. Puten können sich kurz vor der Schlachtung unter dem Gewicht der überdimensionierten Brust kaum noch bewegen. Ihre Knochen und Krallen sind durch die Last deformiert. Dieselben Probleme treten auch bei Schweinen und Rindern auf.

Ähnlich wie bei den auf Ertrag optimierten Nutzpflanzen geht auch die Vielfalt der Nutztierrassen zurück: auf eine Anpassung auf Nahrungsangebot und klimatische Verhältnisse der jeweiligen Region kann verzichtet werden, wenn die Tiere ohnehin in geschlossenen Ställen mit automatisierter Luftzufuhr unter Kunstlicht gehalten und mit industriell produziertem Futterbrei gemästet werden. Die genetische Verarmung der weltweit am stärksten genutzten Nutztiere hat absurde Formen angenommen: So haben einzelne Bullen bereits mehrere Millionen Kälber gezeugt, ohne die Mutterkühe jemals zu Gesicht bekommen zu haben.

Politik muss handeln!

Wir müssen endlich Rahmenbedingungen setzen, die diese Missstände angehen. Natürlich muss das auf europäischer Ebene erfolgen, etwas anderes macht in einem Binnenmarkt ohne Grenzkontrollen wenig Sinn. Folgende Punkte gehören auf die Agenda:

  • Verbindliche, europaweit einheitliche Haltungskennzeichnung
  • Flächengebundene Tierhaltung – grundsätzlich sollte ein Betrieb seine Tiere von der eigenen Fläche ernähren können
  • Tiertransporte sind auf max. 4 Stunden zu minimieren, der nächstgelegene Schlachthof muss gewählt werden, nicht der billigste. Kein Export lebender Schlachttiere in Länder außerhalb der EU, stärkere Kontrolle der Schlachthöfe in der EU.
  • Verbot von Klonung und Qualzüchtungen, tierquälerischen Praktiken wie der betäubungslosen Ferkelkastration und der Tötung männlicher Küken
  • Weitere Einschränkung von Tierversuchen nach dem bewährten Prinzip Reduzieren – Verbessern – Ersetzen; mehr Forschungsgelder für Alternativmethoden
  • Förderung pflanzlicher Ernährungsformen – unser derzeitiger Fleischkonsum kann nicht durch extensive Tierhaltung gedeckt werden
  • Unterstützung der Landwirtinnen und Landwirte durch Anreizprogramme und Umstellungsförderung
  • europaweites Verbandsklagerecht für Umwelt- und Tierschutzverbände
  • Importverbot für tierische Produkte, die den EU-Tierschutzstandards nicht entsprechen

Das sind dicke Bretter, klar: aber wenn man nicht anfängt zu bohren, kommt man nie zum Ziel. Und die allermeisten Menschen wünschen sich, dass wir mit unseren Tieren besser umgehen. Nicht umsonst haben einige Discounter jetzt eigene Label eingeführt. Was ein Armutszeugnis für die Politik ist: wollen wir wirklich, dass die Standards von der Wirtschaft gesetzt werden statt von demokratisch Gewählten?