Weltbiodiversitätskonferenz COP 15: Historische Einigung, aber nicht genug im Kampf gegen das Artensterben

Die Weltbiodiversitätskonferenz von Kunming und Montreal ist mit einem historischen Abkommen zu Ende gegangen. Noch nie wurden so hohe und ambitionierte Erhaltungsziele auf globaler Ebene festgeschrieben. Die Weltgemeinschaft verpflichtet sich, mindestens 30 Prozent der Land- und Seeflächen bis zum Jahr 2030 unter Schutz zu stellen.

Doch so erfreulich dieses Ergebnis ist, auch vor dem Hintergrund der schleppend verlaufenen Verhandlungen, wird es das Massenaussterben von einer Million Arten nicht aufhalten können. Die Europäische Union muss nun wenigstens sicherstellen, dass die in Montreal beschlossenen Ziele in Europa implementiert werden. Dazu gehört es auch, den Naturschutz in der EU massiv voranzutreiben. Das neue EU-Renaturierungsgesetz, das ich mit verhandele, bietet hierfür ein zentrales Instrument im Kampf gegen den Biodiversitätsverlust und den Schutz unserer Lebensgrundlagen.

Worum ging es bei der COP15?

Mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt wurde der Erhalt der Biodiversität 1992 erstmals völkerrechtlich verankert und als gemeinsames Menschheitsanliegen festgeschrieben. Trotzdem hat die Weltgemeinschaft es bis heute nicht geschafft, die seither gesteckten Ziele zum Schutz der weltweiten Artenvielfalt umzusetzen.

Beim Erhalt der Biodiversität geht es um nicht weniger als um die Rettung der Grundlagen unserer Existenz. Ohne gesunde Ökosysteme gibt es kein sauberes Wasser, keine fruchtbaren Böden, keine Luft zum Atmen. Der Weltbiodiversitätsrat schätzt, dass von den acht Millionen bekannten und noch unbekannten Arten auf unserem Planeten zwei Millionen bedroht und davon eine Million vom Aussterben bedroht sind.

Die 2010 in Japan beschlossenen Aichi-Ziele bis 2020 wurden verfehlt – wie alle bisher auf Weltbiodiversitätskonferenzen gesteckten Ziele zum Schutz von Arten und Lebensräumen. Bedingt durch die Covid19-Pandemie wurde dann die für Herbst 2020 im chinesischen Kunming geplante COP15 mehrfach verschoben. 

Was wurde bei der COP15 beschlossen?

Bereits vor Verhandlungsbeginn war klar, dass die COP15 zum Wendepunkt für den Schutz unserer Lebensgrundlagen werden muss. Die Weltgemeinschaft kann es sich nicht länger leisten, tatenlos zuzusehen, wie Arten und Lebensräume zunehmend verschwinden.

Das nun beschlossene Globale Rahmenabkommen zur Biodiversität besteht aus vier übergeordneten Zielen und 23 Zielmarken. Die Themen erstrecken sich vom klassischen Naturschutz über Renaturierung, das Aufhalten des Aussterbens, die Reduzierung von Dünger- und Schadstoffeinträgen und den Abbau umweltschädlicher Subventionen.

Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 30 Prozent der Land-, Fluss-, Küsten- und Meeresökosysteme wirksam wiederhergestellt und verwaltet werden (das sogenannte „30 by 30-Ziel“). Leider ist die erlaubte „nachhaltige Nutzung“ dieser Ökosysteme nicht näher definiert, was die Tür für potenziell schädliche Formen land- und forstwirtschaftlicher Nutzung offenlässt. Neben den bereits bestehenden Schutzkategorien „Schutzgebiete“ und „andere wirksame, gebietsbezogene Erhaltungsmaßnahmen“, forderten viele Verhandlungsparteien die Einführung einer neuen, dritten Kategorie, nämlich „indigene und traditionelle Gebiete“. Diese Forderung hat es bedauerlicherweise nicht in das Abkommen von Kunming und Montreal geschafft, obwohl 80 Prozent der weltweit noch bestehenden intakten Ökosysteme in Gebieten liegen, die von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften bewohnt werden, die besonders schonend mit der Natur und ihren Ressourcen wirtschaften und einen maßgeblichen Beitrag zu ihrem Erhaltungszustand leisten. Zumindest wurde festgeschrieben, dass diese Gebiete “ökologisch repräsentativ, gut vernetzt und gerecht verwaltet” sein müssen und die Rechte der indigenen Bevölkerung über ihre traditionellen Gebiete anerkannt und respektiert werden müssen.

Die Umweltverschmutzung aus allen möglichen Quellen muss bis 2030 soweit verringert werden, dass für die biologische Vielfalt und die Funktionen und Leistungen des Ökosystems kein Schaden mehr droht. Kumulative Effekte sollen hierbei berücksichtigt werden. Explizit eingeschlossen sind Pestizide und Überdüngung sowie Plastikmüll; die Formulierungen sind allerdings vage.

Umweltschädliche Subventionen sollen bis zum Jahr 2025 identifiziert und abgeschafft werden. Wo ein Auslaufen der Subventionen nicht möglich ist, sollen sie reformiert werden, sodass sie die biologische Vielfalt nicht länger bedrohen.

Ohne das nötige Geld bringen die schönsten und weitreichendsten Ziele nichts. Bis zum Jahr 2023 soll ein Fonds geschaffen werden, der bis 2030 die Umsetzung des neuen Globalen Rahmenabkommen für die biologische Vielfalt unterstützt. Der neue Fonds soll in der Lage sein, schnell neue und zusätzliche Mittel zu mobilisieren und auszuzahlen. Hierfür sollen bis 2030 mindestens 200 Milliarden US-Dollar jährlich mobilisiert werden. Reiche Industrienationen sollen ihren finanziellen Beitrag erhöhen, auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Länder, die freiwillig die Verpflichtungen von Entwicklungsländern übernehmen, wie beispielsweise kleinerer Inselstaaten, sollen ihren hierfür benötigten Beitrag ebenfalls erhöhen. Bis 2025 sind mindestens 20 Milliarden US-Dollar jährlich und bis 2030 mindestens 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr zugesagt. Darüber hinaus sollen innovative Lösungen wie Zahlungen für Ökosystemleistungen, Ausgleichszahlungen für die biologische Vielfalt und Gutschriften gefördert werden. Der Elefant im Raum ist die fehlende Verpflichtung für die Wirtschaft, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Dabei geht ein Großteil der Naturzerstörung auf industrielle Tätigkeiten, beispielsweise Bergbau oder intensive Landwirtschaft, zurück. Dennoch gelang es nicht, eine verpflichtende Beteiligung der Konzerne an der Finanzierung festzuschreiben.

Was sind die nächsten Schritte?

Die auf der COP15 beschlossenen Maßnahmen sind per se nicht bindend. Umso wichtiger ist es nun, dass sie schnellstmöglich und umfassend in nationales Recht umgesetzt werden. Alle Vertragspartnerländer müssen das Abkommen ratifizieren und regelmäßig Bericht über ihren Fortschritt bei der Umsetzung der neuen 2030-Biodiversitätsziele erstatten. Hierfür werden, wie auch im Rahmen von Klimaabkommen, nationale Biodiversitätspläne erstellt. Die Hausaufgabe für die Europäische Union lautet, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, die Vogelschutzrichtlinie und die Wasserrahmenrichtlinie, endlich konsequent durchzusetzen und beim neuen EU-Renaturierungsgesetz Maßnahmen zu ergreifen, die das COP15-Ziel nicht nur wiederspiegeln, sondern über dieses hinausgehen. Denn so erfreulich das Ergebnis von Kunming und Montreal letztendlich ist, es reicht nicht aus. Wenn in der nächsten Verhandlungsrunde in acht Jahren die nötigen Nachbesserungen beschlossen werden sollen, braucht es dringender wie bisher Vorreiter und Vorbilder beim Schutz von Arten und der Wiederherstellung von Lebensräumen. Die Europäische Union steht in der Pflicht, diese Rolle einzunehmen. Schließlich ist Europa der Kontinent mit dem geringsten Anteil wilder Natur. Und es ist schwierig, andere Länder zur Bewahrung ihrer Urwälder und Feuchtgebiete zu bewegen, wenn diese Ökosysteme bei uns großenteils zerstört wurden.