Zero-Pollution Action Plan der EU-Kommission geht nicht weit genug
Am 12. Mai 2021 hat die EU-Kommission im Rahmen des EU Green Deal ihren „Null-Schadstoff-Aktionsplan für Luft, Wasser und Boden“ vorgestellt.
Der Aktionsplan gibt einen umfassenden Überblick über bereits beschlossene Maßnahmen und Verpflichtungen, versäumt es aber, bisher nicht gesetzlich regulierte Schadstoffbelastungen in der Umwelt konkret zu adressieren. Die Nullverschmutzungsziele für 2030 sind zwar begrüßenswert, basieren jedoch meist auf bereits rechtlich bindenden oder erst kürzlich benannten Zielen. Die Umsetzung der in der „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit“ vorgestellten Nullverschmutzungshierarchie bleibt völlig unklar.
Das Europäische Parlament hat in den letzten Monaten konkrete und ehrgeizige Forderungen für den Schutz von Luft, Wasser und Boden und damit unser aller Gesundheit beschlossen. Leider bleibt der Aktionsplan der Europäischen Kommission in vielen Punkten dahinter zurück.
Der Aktionsplan ist in neun so genannte „Flagship-Aktionen“ unterteilt. Eine Bewertung anhand von jeweils drei aktuellen Kernforderungen des Europäischen Parlaments zum Schutz von Luft, Wasser und Boden zeigt, dass der Aktionsplan bei nur einer Forderung überwiegend gut, bei sechs Forderungen unzureichend und bei zwei weiteren Forderungen gemischt bzw. abhängig von der Umsetzung ist.
Hier sind die neun „Flagship-Aktionen“ und die Bewertung des Aktionsplans dazu:
Forderung des EU-Parlaments | Aktionsplan der Kommission | Unsere Grüne Bewertung des Aktionsplans | |
Luft | |||
1 | Übernahme der WHO-Grenzwerte für Feinstaub (PM10, PM2.5), Stickstoffdioxid (SO2) und Ozon (O3) sowie für krebserregende aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol und Benzo[a]pyren | Die Kommission will die EU Luftqualitätsstandards nur an die zukünftigen WHO Vorschläge annähern. |
Die Kommission hält sich nicht an die hohen Erwartungen aus dem Green Deal und weigert sich außerdem, die Beschlüsse des Parlaments umzusetzen. |
2 | Sobald bekannt wird, dass die EU-Luftqualitätsgesetze nicht umgesetzt werden und Verstöße gemeldet werden, sollen rechtliche Schritte eingeleitet werden und Mitgliedsstaaten mit Sanktionen belegt werden. | “Die Kommission wird sich bei der Umsetzung und Durchsetzung verstärkt darauf konzentrieren, sicherzustellen, dass alle EU-Rechtsvorschriften zur Vermeidung von Umweltverschmutzung wirksam eingehalten werden und den beabsichtigten Nutzen für Umwelt und Gesundheit bringen. Dazu gehört, dass sie im Vorfeld mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeitet, um eine schnelle und korrekte Umsetzung zu gewährleisten und alle verfügbaren Instrumente zu fördern.” |
Keine Regelung bei Rechtsverstößen geplant weder Sanktionen noch Androhung von Gerichtsverfahren. |
3 | Erweiterung der Luftqualitätsstandards und der Überwachung auf bisher nicht regulierte Schadstoffe, die nachweislich negative gesundheitliche Auswirkungen haben, wie z.B. Ultrafeinstaub, Ruß, Quecksilber und Ammoniak. | Es soll überprüft werden, ob in Zukunft auch der Ausstoß von Ammoniak und die Emissionen von Ultrafeinstaub und Nanopartikeln von Verbrennungsmotoren und Bremsenabrieb reguliert werden kann. |
Keine konkreten Verpflichtungen, aber zumindest Überprüfung, ob und wie Maßnahmen möglich sind |
Wasser | |||
4 | Gewässer in einen guten chemischen Zustand bringen und rechtliche Schritte gegen Mitgliedstaaten, die Umweltqualitätsstandards für besonders besorgniserregende Stoffe nicht einhalten, einleiten. | Die Kommission wird darauf hinwirken, dass die Mitgliedstaaten einen nachhaltigen und effizienten Wasserverbrauch fördern, der Wasserverschmutzung entgegenwirken und eine sozial gerechte Wasserrechnung für alle vorlegen. |
Keine Regelung bei Rechtsverstößen |
5 | Schadstoffe wie PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen), Mikroplastik, hormonähnlich wirksame Chemikalien und Arzneimittel in der Umwelt sollen durch einen ganzheitlichen Ansatz verringert werden, der an der Quelle beginnt und als letztes Mittel ergänzende End-of-Pipe-Lösungen vorsieht. | Maßnahmen gegen die Verschmutzung durch Mikroplastik sowie schädliche und persistente Stoffe in Produkten wie PFAS sind vorgesehen.
Arzneimittel: Pharmastrategie und der strategische Ansatz der EU für Arzneimittel in der Umwelt sollen das angehen. Mikroplastik: Bis 2030 soll die EU 30% weniger Mikroplastik in die Umwelt emittieren. |
PFAS & hormonell aktive Chemikalien: Verwendung soll im Rahmen der Chemikalienstrategie reguliert werden.
Arzneimittel: unzureichend
Mikroplastik: Ziel ok.
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6 | Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollen einen Lebenszyklus-Ansatz für Schadstoffe anwenden und dabei das Verursacherprinzip beachten. | Die Kommission wird Empfehlungen annehmen, wie einschlägige Instrumente und Anreize weiter gefördert werden können, um die Ära der “kostenlosen Verschmutzung” zu beenden. |
Empfehlungen reichen nicht aus, um das Verursacherprinzip umzusetzen! |
Boden | |||
7 | Einen EU-weiten Rechtsrahmen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Böden schaffen, der die größten Bedrohungen für unsere Böden angeht. | Die Kommission will auf einen Rahmen hinarbeiten, um den Zustand der Böden in der EU regelmäßig zu bewerten und Maßnahmen gegen die Verschmutzung und Verschlechterung der Böden zu ergreifen. |
Kein verbindlicher Rechtsrahmen. |
8 | Altlasten kartieren und nach dem Verursacherprinzip dekontaminieren. Für herrenlose Standorte eigenes Instrument finden. | Mitgliedsstaaten sollten verunreinigte Standorte kartieren und dekontaminieren. Der kommende Vorschlag für rechtsverbindliche EU-Ziele zur Wiederherstellung der Natur wird die Wiederherstellung degradierter Bodenökosysteme in Betracht ziehen. |
Keine EU-weite Rechtsnorm, nur Appell an die Mitgliedsstaaten. |
9 | Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) sollte Bedingungen für die Sicherung der Produktivität und der Ökosystemleistungen der Böden schaffen. | optimale Nutzung der grünen Architektur der neuen GAP, insbesondere durch Konditionalität und Öko-Regelungen |
Die beschlossene GAP geht nicht weit genug und überlässt wesentliche Entscheidungen den Mitgliedsstaaten. Vollständige Umsetzung der „grünen Architektur“ nötig. |
Hier findet ihr den Aktionsplan der Kommission (bisher nur auf Englisch): https://ec.europa.eu/environment/pdf/zero-pollution-action-plan/communication_en.pdf
Bereits im State of the Environment Report (SOER) 2020 der Europäischen Umweltagentur (EEA) spielt die Umweltverschmutzung eine große Rolle. Ich habe auf meiner Seite eine deutsche Zusammenfassung des ausführlichen (englischsprachigen) Berichtes veröffentlicht: https://www.jutta-paulus.de/soer-bericht-2020