Geo-Engineering – Teufel und Beelzebub

Geo-Engineering, Technologien, die man eher in der fernen Zukunft bei einer möglichen Besiedlung des Mars erwartet hätte, ist seit mehreren Jahren Bestandteil der Debatten um den Klimawandel. Geo-Engineering meint die großmaßstäbliche Manipulation von Klima- und Erdsystemen mit dem Ziel, den Klimawandel zu stoppen.

Hinter dem großspurigen Begriff verbergen sich eine Reihe fiktiver oder bestenfalls experimenteller Technologien, die entweder CO2 aus der Atmosphäre entfernen oder in den Strahlungshaushalt der Erde eingreifen sollen. Um überhaupt einen Effekt zu erzielen, müssten diese Techniken in gewaltigen Maßstäben eingesetzt werden.  Möglichkeiten, solche Methoden vorher lokal auszuprobieren, sind unmöglich oder zumindest unzuverlässig;  Computersimulationen sind mit hohen Unsicherheiten behaftet, weil „Nebenwirkungen“ und Rückkopplungsschleifen nicht abgeschätzt werden können.

Carbon Dioxide Removal

Unter Carbon Dioxide Removal (CDR) werden verschiedene Methoden zusammengefasst, mit denen CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden soll. Anstatt auf gängige und sichere Methoden, wie Aufforstung, Humusaufbau und Wiedervernässung von Mooren zu setzen, sollen Meere mit Eisen gedüngt werden. Erste Versuche wurden bereits unternommen. Der Gedanke dahinter: die Zufuhr des limitierten Nährstoffs Eisen verbessert das Wachstum von Algen. Das Algenwachstum bindet CO2 aus der Atmosphäre, die Algen sterben nach und nach ab und sinken mitsamt dem gebundenen Kohlenstoff auf den Meeresboden.

Allerdings: wer garantiert, dass die Algen nicht einfach in die marine Nahrungskette gelangen, also einfach gefressen werden? Oder dass es zu toxischen Algenblüten kommt? Oder dass die Algen nach dem Absterben nicht wie gewünscht absinken, sondern in höheren Wasserschichten verrotten, wobei sie dem Ozean Sauerstoff entziehen? Davon abgesehen, würden gigantische Mengen Eisen benötigt, wenn relevante Tonnagen an CO2 gebunden werden sollen. Und irgendwie müsste das Eisen ja auch noch gleichmäßig in den Ozeanen verteilt werden – mit abertausenden von Schiffen. Kein Wunder, dass das Londoner Protokoll über die Verschmutzung der Meere  – ein international bindendes Abkommen, das 1996 verabschiedet und 2007 in Kraft gesetzt wurde – die Düngung der Meere  mit Eisen  verboten hat. Erlaubt wurde allerdings die Lagerung von CO2 in geologischen Formationen unter dem Meeresboden – als wäre nicht die Ozeanversauerung ohnehin schon eines unserer drängendsten Probleme!

Solar Radiation Management

Solar Radiation Management (SRM) zielt darauf ab, in den Strahlungshaushalt der Erde einzugreifen. Die Vorschläge reichen von der Installation von Spiegeln im Weltraum über das Einbringen von Aerosolen in die obere Atmosphäre bis hin zur „Herstellung“ von Wolken über den Meeren. Genügend Spiegel in die Erdumlaufbahn zu bringen, ist nach aktuellem Stand der Weltraumfahrt nicht machbar. Die Auswirkungen der Wolkenbildung sind wenig erforscht und könnten sogar kontraproduktiv wirden. Bleibt die „Abschirmung“ in der Stratosphäre: Durch das großflächige Versprühen anorganischer Partikel (bspw. Schwefeldioxid, Aluminium oder Calcit) in der Stratosphäre soll ein Teil der Sonnenstrahlen reflektiert werden und so ein Kühlungseffekt entstehen. Dieser Kühlungseffekt besteht aber nur so lange, wie die Partikel in der Atmosphäre verbleiben und ist damit sehr störanfällig. Wird die Methode eingestellt, schießen die Temperaturen erst recht nach oben. Zum anderen könnten globale Niederschlagsmuster und Windverhältnisse verändert oder die Ozonschicht zerstört werden  – mit immensen Folgen für die Lebensgrundlage vieler Menschen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Solar Radiation Management auch als Waffe oder Druckmittel in zukünftigen Kriegen verwendet werden könnte.

Blinde Flecken des Geo-Engineerings

Bisher wurde ein Großteil der Forschung, Patente und Projekte zu Geo-Engineering von Ölkonzernen finanziert. Folgerichtig stellen sich die größten Bremser beim Klimaschutz, die USA und Saudi-Arabien, gegen alle Bestrebungen, Geo-Engineering zu regulieren – zuletzt bei der UN-Umweltversammlung in Nairobi im März 2019. Unglücklicherweise ist einer der beiden Verantwortlichen für das Geo-Engineering-Kapitel des IPCC-Berichts auch noch ein Vertreter von Saudi Aramco, des weltgrößten Ölkonzerns. Und viele Forschende zu Geo-Engineering, deren Arbeiten in den IPCC-Bericht einfließen werden, halten Patente auf einzelne Technologien. Interessenskonflikte sind vorprogrammiert.

Das Problem: Geo-Engineering wird als Argument verwendet, um Emissionsminderungen in die Zukunft zu verschieben. Dabei müssen wir, um die 1,5°C-Grenze nicht zu überschreiten, die weltweiten Emissionen bis 2030 um die Hälfte reduzieren. Eine Wette auf Geo-Engineering einzugehen, verschiebt die Aufmerksamkeit von der absolut notwendigen Reduktion des CO2 Ausstoßes auf fragwürdige und risikoreiche Methoden.

Die echten Lösungen liegen längst auf dem Tisch. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass der Klimawandel mit der Reduktion der CO2-Emissionen  verlangsamt werden kann – und dass wir langfristig gar keine Treibhausgase mehr emittieren dürfen. Stattdessen haben die Verantwortlichen dabei zugesehen, wie die Emissionen massiv anstiegen: seit der Gründung des IPCC (Weltklimarat) 1988  haben sie sich verdoppelt! So hat sich die Klimakrise immer weiter verschärft und der Handlungsspielraum wird immer kleiner. Jetzt heißt es: Einsparen, einsparen, einsparen! Auch wenn CO2 über längere Zeiträume sicher durch Aufforstung und Begrünung wieder eingefangen werden kann – die große Chemiekeule sollten wir bei diesem Problem nicht einsetzen.

Nichtsdestoweniger stellt sich die Frage, welche Antwort wir Ländern geben sollen, die durch die Klimakrise in ihrer Existenz bedroht sind, bspw. weil der Meeresspiegelanstieg ihre Fläche schrumpfen lässt oder die steigenden Temperaturen immer größere Teile ihres Territoriums unbewohnbar werden lassen. Deshalb ist eine breite Diskussion darüber notwendig, welche Risiken und Folgen wir als globale Gesellschaft in Kauf nehmen, ob wir den Weg dieser hochriskanten Technologien einschlagen wollen. Geo-Engineering ist eine politische Entscheidung, keine wissenschaftliche Notwendigkeit.

Titelbild: Hughhunt [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons