SOER-Bericht 2020, Teil 3/11: Land und Boden

Bild: Rastenden Störche in den bewässerten Queichwiesen, Pirmin Hilzendegen
Das zum immateriellen Weltkulturerbe ernannte Natura 2000 Gebiet „Bellheimer Wald mit Queichwiesen“ in der Südpfalz hat durch seine besondere Art der Wiesenbewässerung eine alte Landwirtschaftstechnik wiederbelebt und die Artenvielfalt drastisch erhöht. Gleichzeitig wird der Erfolg von einem dort geplanten Erweiterungsbau der Michelin-Reifenwerke bedroht. Hier ist Europa gefragt, Flächenversiegelung in einem so wertvollen Gebiet – Ja ? Oder Nein?

Weitere Infos aus dem Kapitel „Land und Boden“ des SOER-Berichts der europäischen Umweltagentur hier:


Mehr versiegelte Fläche weniger Feuchtgebiete, intensivierte Forstwirtschaft
Die 2018 veröffentlichte Karte der europäischen Landoberfläche durch den Copernicus Land-Monitoring-Service zeigt, dass das mengenmäßige Verhältnis der Hauptlandtypen in Europa gleich geblieben ist. Seit 2000 sind jedoch 7,1% der europäischen Landfläche zusätzlich versiegelt worden. Für Klimaschutz und Artenvielfalt besonders bedeutsam: der Verlust von Feuchtgebieten beläuft sich auf 1 % der gesamten europäischen Landfläche. Die derzeitige europaweite Holzentnahme liegt nach Satellitendaten bei 60-65% des jährlichen Zuwachses. Das sind 12 % mehr als in den offiziell berichteten Zahlen.
Kaum Entsiegelung oder Flächenrecycling
In den meisten Ländern steigt die Nachfrage nach Bauland stärker als die Bevölkerung, teilweise werden sogar ohne Anstieg der Bevölkerungszahlen neue Baugebiete ausgewiesen. Im Zeitraum von 2000-2018 konzentrierte sich die Landnahme in größeren urbanen Ballungsräumen. Am häufigsten wurde dabei Ackerland bebaut, am zweithäufigsten Wälder, Wiesen und kleinteiliges Agrarland. Dabei überschreitet die Flächenversiegelung die -Entsiegelung um das Elffache (14.049 km² Versiegelung vs. 1269 km² Entsiegelung). Zusätzlich wurden nur 13 % der Bauvorhaben auf bereits versiegelten Flächen realisiert.
Landschaftszerschneidung
Unzerschnittene Landschaften sind von 2009 – 2012 um 6,2% zurückgegangen, 2012 -2015 immer noch um 2,6 %. Größter Verursacher von Landschaftszerschneidung ist der Bau von Autobahnen, insbesondere in unbewohnten oder sehr schwach besiedelten Gebieten. Sogar Natura 2000 Gebiete sind vor Zerschneidung nicht gefeit: die Zahl zerschnittener Natura 2000 Gebiete stieg in der Zeit von 2002 bis 2012 um 5,9% an, von 2012-2015 immer noch um 1,6 %. Die dafür erforderlichen „Prüfungen zur Vereinbarkeit mit der Biodiversitätsstrategie“ sind häufig unangemessen sorglos, was die Beurteilung von Einflüssen auf Natur und Umwelt angeht. Dennoch gilt, dass Natura 2000 Gebiete seltener zerschnitten werden als andere Schutzgebiete.
Erosion und Kohlenstoffspeicherung
Oft übersehen wird der Bodenverlust durch Erosion. Verglichen mit der Humus-Neubildungsrate geht 60 % mehr Oberboden verloren. Der gesamte Bodenverlust durch Wassererosion wird auf 970 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt.. Über 23 % der Böden in Europa zeigen kritische Dichtewerte im Untergrund. Denn das Befahren mit schweren Maschinen verdichtet Böden bis in den Unterboden hinein. Der Wassertransport und das Bodenleben werden empfindlich gestört. Obwohl einige Mitgliedsländer Vorgaben zur Bodenbearbeitung bei Nässe machen, gibt es keine europaweiten Instrumente, um Böden vor weitere Verdichtung zu schützen.
Die Fähigkeit von Böden, organischer Kohlenstoffe zu speichern, hängt von ihrer Beschaffenheit und Behandlung ab. Waldböden wirken als starker Kohlenstoffspeicher (30-50 % davon durch die Waldbiomasse). Die größte Einlagerung von organischem Kohlenstoff erfolgt in Torf. Torfabbau verursacht deshalb hohe Kohlendioxid- und Methan-Emissionen und ist entscheidend für den Treibausgasemissionen einiger Länder verantwortlich.
Chemische Schädigung von Böden bei intensiver Landnutzung
Hauptquellen für Bodenkontaminationen auf lokaler Ebene sind kommunale und industrielle Mülldeponien (37%) sowie Industrieemissionen und Störfälle (33%). In den europäischen Mitgliedsstaaten gibt es derzeit 2,8 Millionen potentiell gefährliche Standorte, von denen nur 28 % dauerhaft überwacht werden. Nach einmaliger Genehmigung von Anlagen findet in der Regel keine zweite Überprüfung außerhalb der dauerhaft überwachten Anlagen statt.
Während diffuse Kontaminierung durch großräumige Luftverschmutzung abnimmt (Blei um 87 % seit 1990, Quecksilber um 40 % seit 1990), reichern sich einige Metalle wie Cadmium und Kupfer in Ackerböden an. Cadmium aus mineralischem Phosphordünger sammelt sich in 45 % der Ackerböden. In der europäischen LUCAS-Studie wurden in 80% der getesteten Böden Rückstände von Pestiziden gemessen; 58 % enthielten mehrere Pestizide. Insgesamt wurden 166 verschiedene Pestizidkombinationen gefunden. Die gleichzeitige Anwesenheit verschiedener Pestizide ist folglich die Regel und nicht die Ausnahme. Umso wichtiger wäre es, additive Wirkungen während des Zulassungsverfahrens zu untersuchen. Mikroplastik, hormonell wirksame Stoffe, Antibiotika und Flammschutzmittel sind bisher nicht berichtspflichtig. Europa ist globaler Nitrathotspot mit dem höchsten weltweiten Nitrateintrag ins Meer und Verursacher von 10% der globalen Lachgas-Emissionen.
Fazit und Ausblick
Für unsere Böden sieht es nicht gut aus. Bindende Ziele für ihren Erhalt als Grundlage unserer Ernährung, als Kohlenstoffspeicher oder Wasserfilter sind nicht vorhanden. Es gibt keine europaweite gesetzliche Grundlage zum Flächenrecycling, außer der Möglichkeit, Entsiegelung durch den EU Kohäsionsfonds finanzieren zu lassen. Eine Revision der existierenden Bodenthematischen Strategie von 2006 ist dringend notwendig, ebenso ein vereinheitlichtes europaweites Bodenmonitoring. Es fehlt auch ein Altlastenkataster sowie gleiche Definitionen und Grenzwerte für kontaminierte Böden.

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